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Autobiographisches CoronaPandemie Haiku

Fürsorge – oder Angst?

Kennen Sie das auch? Sie laufen in der Stadt. Jemand kommt Ihnen entgegen. Sie haben keine Schutzmaske aufgesetzt. Die entgegenkommende Person hat keine Schutzmaske aufgesetzt. Sofort ist das das fatale Wörtchen “Aerosolwölkchen” in ihrem Bewusstsein.

Soll man da vorsichtshalber die Maske herausfingern und aufsetzen?

Soll man das Gesicht abwenden – den Atem anhalten?

Noch seltsamer wäre die Situation, wenn man diese Person kennt – vielleicht sogar gut kennt, als Nachbar im Haus. Da kann man doch nicht das Gesicht abwenden. Da kann ja auch nichts passieren, die kennt man doch. Von wegen!

Aber was weiß man denn über andere Leute? Nicht einmal die Mitglieder der eigenen Familie sind doch “sicher negativ”. Denn die Enkelkinder können sich in der Schule angesteckt haben. Vor Tagen schon. Die Eltern (also die eigenen Kinder) können sich bei ihren Kindern angesteckt haben.

Ein paranoider Teufelskreis der Gedanken beginnt im Kopf zu rotieren.

Aber ist das nur die Angst vor Ansteckung – oder spielt da nicht auch eine gewisse Fürsorge mit – das man die anderen schützen möchte, fall man selbst (noch unerkannt) das Virus mit sich herumträgt und weitergibt?

Erleichterung: Die entgegenkommende Frau ist einige Meter vor der Begegnung in ein Haus getreten. Gerettet. Trotzdem den Atem noch ein wenig anhalten. Bis etwaige Aerosolwölkchen verweht sind, sich am Boden abgesetzt haben. Wenn da nur nicht dieser feine Parfümduft nachwehen würde, ganz zart, nicht unangenehm. Aber eben auch – ein Aerosolwölkchen!

Was soll´s. Wir müssen alle mal sterben. Aber bitte nicht mit Corona-Erstickungsanfällen auf der Intensivstation.

Zuhause bleiben. Sich einbunkern. In freiwilliger Quarantäne –

Nein, kommt nicht infrage. Maske aufsetzten. Immer die Maske aufsetzen. Die meiste Zeit jedenfalls. Man kann ja die Nase frei lassen. Und wenn einem jemand zu nahe kommt – hochziehen das Visier. Wie Ritter Kunibert, bevor er in die Schlacht zieht.

Wie wär´s mit einem Haiku als Abwehrzauber, ironisch distanzierend:

Der Feind kommt näher.
Auf die Maske – hoch das Visier.
Wieder gerettet.

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