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“Rossini” oder: Ich wollte auch mal zum Film

Nach langer Zeit habe ich mir mal wieder (auf DVD) diesen herrlich sarkastischen Film angeschaut, der sich delektiert am Vorgeplänkel zu einem neuen Möchtegern-Kino-Hit: Rossini – oder die mörderische Frage, wer mit wem schläft. Eine großartige Leistung von Regisseur Helmut Dietl und Drehbuchautor Patrick Süskind.
Hinterher kamen mir allerdings so manche eigene Erfahrungen wieder ins Bewusstsein, wie es “hinter der Kamera” zugeht. Also nicht – wie im Film – die Welt der hochbegabten* und oft auch hochneurotischen Macher (Drehbuchautor, Regisseur, Produzent, Hauptdarsteller), sondern das “Fußvolk”, ohne das die Macher ganz schön aufgeschmissen wären.

… oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief (Constantin 1996)

Als Student habe ich so meine eigenen Erfahrungen gesammelt: als Statist und als Regieassistent. Sicher habe ich damit geliebäugelt, auch tiefer in diese Welt einzusteigen. Zum Beispiel als Drehbuch-Autor. Aber mein erster und einziger Versuch in dieser Richtung scheiterte kläglich: Das Skript zu einer Dokumentation über den (nicht nur in Indien weit verbreiteten) Glauben an die “Wiedergeburt” misslang mir. Es misslang nicht etwa, weil ich zu wenig Ahnung vom Thema hatte (eine Rundfunkreihe und das daraus entstandene Sachbuch zeigen zumindest, dass ich mich in die Materie eingearbeitet hatte). Doch ich hatte einfach keinerlei Ahnung, wie man so ein Drehbuch macht. Das ist nämlich weit komplexer als das Drehbuch für einen Comic ( → Comix sind gar nicht komisch) oder das Skript für eine Rundfunk-Sendung (womit ich bereits viel Erfahrung hatte).


Immer wieder kreuzen sich die Wege im Cineastischen

1994 heuerte mich Martin Thau von der “Drehbuch-Werkstatt” der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) in München für ein Kreativitäts-Seminar an, das den Studenten helfen sollte, Blockaden beim Verfassen von Drehbüchern zu überwinden und ihren Kreativen Prozess in Gang zu bringen. Bei dieser Gelegenheit lernte ich als einen der Studenten Daniel Speck kennen, mit dessen Lebensweg sich meiner immer wieder mal kreuzte, direkt oder indirekt;
° So führte ich für seine Mutter, die Pädagogik-Professorin Angelika Speck-Hamdan, 1995 ein Schreib-Seminar mit ihren Pädagogikstudenten an der Ludwig-Maximilians-Universität durch.
° Daniel selbst war einige Mal Teilnehmer an einer unserer Schreib-Werkstätten.
° 2003 ergab sich dann die Gelegenheit, seine Erfahrungen (als inzwischen arrivierter Drehbuchautor) mit meinen Erfahrungen zusammenzubringen und eine gemeinsame “Drehbuch-Werkstatt” anzubieten. Bei der habe ich selbst viel gelernt – nicht zuletzt über das Konzept der Heldenreise (das an Filmhochschulen längst fester Bestandteil der Ausbildung ist und seitdem auch in meinen Seminaren).
° Inzwischen ist Daniel auch erfolgreicher Romanautor (Bella Germania wurde bereits verfilmt).
° Kurz vor neuerlichen Lockdown im November 2020 hatte ich die Freude, Daniel mit Joana Osman zu einem vergnüglichen Kaffeeklatsch zusammenzubringen und beider Neuerscheinungen zu feiern: Joanas Der Boden des Himmels und Daniels zweiten Roman Piccola Sicilia (sein drittes ist ab Ende März 2021 auch auf dem Buchmarkt: Jaffa Road).


Schuster, bleib bei…

Die Welt des Films hat mich also immer wieder auch von der “ausführenden” Seite her angezogen, nicht erst, seit ich als Kino zum Film-Enthusiasten wurde – keineswegs nur für Science-Fiction-Spektakel.
Und kann es, last but not least, Schöneres geben – als wenn der eigene Sohn Filmregisseur wird? Maurus hat diesen Weg eingeschlagen – auf seiner Website erfährt man Näheres über seine beiden abendfüllenden Spielfilme Wie Licht schmeckt (nach einem Roman von Friedrich Ani) und Einer für alle – alles im Eimer, über seine Werbefilme und seine andere Variante der Arbeit mit der Kamera: das Fotografieren → Maurus vom Scheidt.

Ein Junge will in der Großstadt seinen 14. Geburtstag feiern – und trifft auf eine blinde 16jährige, die ihm zeigt, wo´s lang geht (Bayr. RF 2006)

Und so kann ich getrost bei meinem eigenen Leisten” bleiben – nicht als Schuster (obwohl ich mich als Kind in Rehau beim Hartmann-Schuster gleich nebenan in der Werkstatt stundenlang herumgetrieben habe und viele Seiten Erinnerungen daran notieren könnte: wie das Schusterpech riecht, wie der Schusterzwirn sich anfasst und die Ahle, mit der man ihn ins Leder zieht, und wie das klingt, wenn der Schuh mit dem Hammer auf dem metallenen Leisten geschlagen wird – gibt es heute fast nicht mehr.)
Sondern als Schriftsteller für Romane und Sachbücher und Kurzgeschichten und für diesen Blog – und Leiter von Schreibseminaren.

Quellen
Dietl, Helmut (Regie): Rossini – oder: Die mörderische Frage, wer mit wem schlief. Deutschland 1997 (Constantin Film).
Osman, Joana: Am Boden des Himmels. Hamburg 2019 (Atlantik).
Scheidt, Jürgen vom: “Die Kette der Wiedergeburten”. München, Sep/Okt 1981 (6teilige Feature-Reihe für den Bayr. Rundfunk).
ders.: Wiedergeburt – Geheimnis der Jahrtausende. München 1982 (Heyne TB). Buchfassung der Funkreihe.
ders.: Wiedergeburt. TV-Treatment für TeleNorm. (München 1984-01-22)
Scheidt, Maurus vom (Regie): Wie Licht schmeckt. 2006.
ders. (Regie): Einer für alle, alles im Eimer. 2015.
ders.: Website Maurus vom Scheidt.
Speck, Daniel: Bella Germania. Frankfurt a.M. 2016 (S. Fischer).
ders.: Piccola Sicilia. Frankfurt a.M. 2018 (S. Fischer).
ders.: Jaffa Road. Frankfurt a.M. 2021 (S. Fischer).

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Autobiographisches Beruf Labyrinthiade Psychologie Schreiben Schreibseminare Science-Fiction Zufall

Hallo – das bin ich

Hier will ich vorab definieren, worum es mir in diesem neu gestarteten Blog geht. Ich will mich darin mit allem befassen, was das Schreiben betrifft. Begleitende Themen (Kategorien) sind die Labyrinthiade und die Entschleunigung. Das hängt (für mich jedenfalls) alles eng zusammen: Beim Schreiben bewegt man sich entschleunigt durch das Labyrinth des eigenen Lebens (oder des Projekt-Themas, an dem man gerade arbeitet).

Aber zunächst einmal will ich mich mit einem aktuellen Portrait auch optisch vorstellen (weitere Details in → ABOUT) – den Hut habe ich übrigens nur zu diesem Anlass aufgesetzt:

Abb.: Jürgen vom Scheidt, Schriftsteller und Leiter von Schreibseminaren (Foto: GvSch 2019)

Warum dieser Hut? Er tauchte irgendwann in der Familie auf, ein Erbstück. Ich sah ihn und dachte spontan: So einen Hut hat mein Vater immer gerne getragen, ein Borsalino. Deshalb ließ ich mich damit auch spaßeshalber ablichten – s. das Bild oben. Typisch 50er Jahre für seriöse Bürger. Ich habe nie einen Hut getragen (außer im Sommer als Sonnenschutz). Aber als mir das Foto wieder mal zufällig über den Weg lief, dachte ich: Das passt doch gut zu einer Inszenierung.

Inszenierung? Nun, wir spielen immer irgendwelche Rollen, je nach Umgebung sind wir mal so und mal so. Beim Klassentreffen rutschen wir rasch, wie mit einer Zeitmaschine, zurück in die Vergangenheit, als wir gemeinsam die Schulbank drückten. Andertags in der Arbeitssituation sind wir nicht der Klassenclown (der wir am Vorabend und damals in der Schule vielleicht waren), sondern der seriöse, gut beherrschte Was-auch-immer.

Nun also “Mann mit Hut”. Das hat tatsächlich viel mit meinem Vater zu tun (dem ich im Alter zu meiner eigenen Überraschung in mancher Hinsicht ähnlich werde, zumindest innerlich und zeitweise) – nicht zuletzt, weil dieser Blog eine Art Goldwaschanlage für meine Autobiographie sein soll (an der ich seit einem Jahr arbeite) und mein Vater darin in vielerlei – und manchmal sehr widersprechender Weise – eine wesentliche Rolle spielt.

Goldwaschen – darum geht es beim Schreiben immer. Man sammelt und sinniert und recherchiert und erinnert sich – aber nur die wirklich wertvollen Goldnuggets sollten im Endprodukt landen.

Nachdem ich auch parallel dazu an einem Roman arbeite, solte sich neimand wundern, dass hier immer wieder auch Erzählendes zu finden ist.

Doch außer dem “Schreiben und Veröffentlichen” gibt es noch zwei weitere große Themen: Die Labyrinthe und die Entschelunigung.

Unter Labyrinthiade verstehe ich die vielfach verschlungenen Geschichten der griechischen Labyrinth-Sage um Daidalos und Icaros sowie um Theseus und Ariadne (und viele Figuren mehr) sowie um die rätselhaften Strukturen realer Labyrinthe und Irrgärten und das, was ich Yrrinthos nenne – nämlich all jene Labyrinthe, die eigentlich gar keine sind (weil sie nur einen einzigen, wenngleich sehr verschlungenen Gang aufweisen, indem man sich jedoch nicht verirren kann), die aber meistens keine Gärten sind, sondern lediglich sehr verwirrende Strukturen – etwa wie eine fremde Großstadt, in der man sich nicht zurechtfindet (oder so kompliziert wie dieser Satz hier).
Das Labyrinth und die Bewegung durch diesen einen Gang hin zum Kern der Struktur ist für mich aueßerdem die Metapher schlechthin für den Vorgang des Schreibens
– bei dem man ja auch ein Ziel hat (z.B. eine spannende Kurzgeschichte mit einer überraschenden Pointe), aber dann auf dem Weg zu diesem Ziel oft ziemlich lange und irritierende Umwege machen muss, bis der Text so ist, wie man ihn haben möchte (oder wie dieser Text sein will – Texte können rasch ein verblüffendes Eigenleben entwickeln).
 
° Das dritte Thema, die Entschleunigung ist ebenfalls ein wesentliches Unterthema des Schreibens. Denn das schriftliche Festhalten verlangsamt den meist recht freien und rasch umherschwirrenden Gedankenflug – weil die schreibende Hand eben weit langsamer arbeitet als das denkende und fühlende Gehirn.
Keine Frage ist es für mich, dass mindestens so wichtig das Gegenteil ist: die Beschleunigung. Auch sie spielt beim Denken und Schreiben eine wesentliche Rolle:
° Zum einen, weil unser Gehirn mit seinen unglaublichen 100 Milliarden Neuronen mit 100 Billionen synaptischen Verbindungen rasend schnell arbeitet – wovon in unserem Bewusstsein aufgrund seiner “Enge” jedoch nur winzige Bruchstücke ankommen.
° Zum anderen, weil wir im Schreiben beliebig “schnell” sein können: Beispielsweise mit einem Wimpernschlag von Sekundenbruchteilen irrsinnige “Tausende von Lichtjahren” in einer SF-Story überwinden, weil unsere Phantasie keinerlei Grenzen in Raum und Zeit setzt – zumindest nicht in der Science-Fiction.
Aber auch sonst lebt Literatur vom “Zeitrafferverfahren” der Szenenwechsel und der Veränderungen des Blickwinkels – und von der Komprimierung. So verdichtete beispielsweise James Joyce in seinem bizarren Roman Ulysses einen einzigen Tag in Dublin zu gerade mal 800 Seiten, obwohl er jedes noch so winzige Detail in Raum und Zeit vor den Leser hinstellte, samt Nebengedanken nach allen sechs Himmelsrichtungen (eben auch nach oben und unten). Was sind da schon 800 Seiten!

*

Dieser Blog wird sich mit der Gegenwart befassen, was unvermeidlich auch zum Thema “Corona-Pandemie” führt (meine Kategorie hierzu: CAN-Blog).
Er wird sich auch mit der Vergangenheit befassen – nicht zuletzt, weil ich hier auch Erinnerungen für meine Autobiographie sammle (Kategorie: AutoBio).
Und dann ist da noch so manches, was mit der Zukunft zu tun haben wird (z.B. in der Kategorie: Science-Fiction).

*

Falls Sie zufällig das Datum dieses Beitrags am Ende dieser Zeilen lesen (das ansonsten immer rechts am Rand des Blogs steht) wundern Sie sich vielleicht über diesen “13. November 2020”. Eigentlich müsste das Datum lauten: “(Freitag) 13. November 2026” – aber das geht nicht, weil dieser Post dann erst zu jenem Datum veröffentlicht und hier im Blog sichtbar werden würde.
Aber das ist eine Geschichte, die will ich, wie so manches weitere in diesem Blog, “ein andermal erzählen” (wie Michael Endes das so schön zum Running Gag seiner Unendlichen Geschichte gemacht hat). Hier nur so viel:
“Freitag, der 13. November 2026” ist das fiktive Datum, von dem ausgehend sich eine Serie der Zeitschrift Psychologie heute mit der kommenden Welt des Jahres 2050 beschäftigte, veröffentlicht in den 1990er Jahren beschäftigte. Ich verfasste zu dieser Serie einen Essay mit dem Titel “Homo futurus” (der sich mit der Psyche der kommenden Menschen befasstte). Seitdem hat mich dieses Datum nicht mehr losgelassen – das ichpersönlich vielleicht nicht mehr erleben werde.
Obwohl: Hundertjährige gibt es inzwischen schon 16.500 allein in der Bundesrepublik und erklecklich viele davon sind sogar 110 Jahre alt. Fragt sich nur, in welchem geistigen, seelischen und körperlichen Zustand sie sich befinden und ob das für mich unbedingt erstrebenswert ist.

Aber die Medizin macht ja Fortschritte, und seit 50 Jahren mache ich jeden Morgen meine Yoga-Übungen, die mir ein Mann beigebracht hat, der immerhin 90 wurde und einst ein Buch mit diesem Titel schrieb: Die Kunst sich selbst zu verjüngen. Max Kirschner wurde 1900 geboren und hat zwei Weltkriege und viele anderen Entbehrungen durchgemacht – ich wurde 1940 geboren und hatte das große Glück, bisher von Entbehrungen verschont zu sein und wenn ich die Corona-Pandemie überlebe – wer weiß…

Besuchen Sei diesen Blog am 13. November 2026 – und vielleicht wieder im Jahr 2050 – und Sie werden es erfahren.

© Jürgen vom Scheidt – geschrieben 18. Nov 2020 – zur Wiedervorlage am Freitag, den 13. November 2026

 

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Autobiographisches Beruf Fiction München Schreiben Schreibseminare Science-Fiction Traum Träume Zukunft

Der metallene Traum

Die ursprüngliche Geschichte mit diesem Titel habe ich 1963 geschrieben. (Es gibt einen Tagebuch-Eintrag: “1963-10-19: ca. 70 Seiten “M.T.” fertig.”) Dieses Manuskript hatte etwa fünf Seiten und erschien erstmals in dem Fan-Magazin Munich Round Up (MRU) der Münchner Ortsgruppe des SFCD*, wo SF-Begeisterte sich regelmäßig zum gemeinsamen Schreiben bei Waldemar Kumming in der Herzogspitalstraße trafen – gewissermaßen meine erste Erfahrung mit einem Schreibseminar. Damals (1959) konnte ich nicht ahnen, dass dies zwei Jahrzehnte später einer meiner drei Brotberufe werden würde: Schreibseminare leiten.

* SFCD = “Science Fiction Club Deutschland. Dort war ich, mit kurzer Unterbrechung, von 1955-1959 ordentliches Mitglied.

Titelbild “Der metallene Traum” (1964, Tuschezeichnung von Willi Johanns)

Ich veröffentlichte diesen Kurzroman 1964 mit eben dem Titel Der metallene Traum in drei Teilen, ebenfalls in MRU. Daraus wurde 1975 mein richtiger gedruckter Roman #3: Der geworfene Stein. “Der metallene Traum” ist darin der zentraler Teil.
Worum geht es dabei?
Der Student Schrödinger lässt sich in einem Zustand großer Verzweiflung auf ein wissenschaftliches Experiment ein, bei dem er in eine Art Kälteschlaf-Koma versetzt wird. Aber es geht etwas schief – und man kann ihn erst 100 Jahre später wieder ins Leben zurückholen. München hat sich sehr verändert, ist zu einer voll kybernetisierten Stadt geworden. Schrödinger tritt in einem Schlüsselkapitel in direkten Kontakt mit dem “Kyberneten”, einer riesigen Rechenmaschine unter dem Englischen Garten, welche die Geschicke der Stadt steuert. Diese (heute würde man sagen: virtuelle) Begegnung nannte ich den “metallenen Traum”.

Der Graphiker Willi Johanns zeichnete zu meiner Erzählung in MRU fünf Tusche-Bilder. Oben davon das Titelbild. Hier eine Schlüsselszene, in der Schrödinger in der Nähe von Starnberg, einer im Jahr 2064 gefährlichen “wilden” Gegend, auf eine Gruppe mongolischer Eindringliche trifft:

Seltsame Begegnung mit Mongolen nahe Starnberg – im Jahr 2064 (Tuschezeichnung: Willi Johanns 1964)

Zu einer anderen bizarren Begegnung kommt es später im Park des Nymphenburger Schlosses mit einem wild gewordenen Roboter:

He Robot im Nymphenburger Schlosspark (Tuschezeichnung: Willi Johanns 1964)

Eine kleine Story macht große Karriere

1971 übernahm Wolfgang Jeschke (Herausgeber-Pseudonym: Herbert W. Maly) die Story in seine Anthologie mit eben diesem Titel Der metallene Traum.
1974 erschien eine Taschenbuchausgabe davon bei Heyne.
1975 mache ich die Story zum zentralen Teil meines Romans Der geworfene Stein.
1977 druckte Ruth J. Kilchemann den Text in einer anderen Anthologie (Schlaue Kisten machen Geschichten) für die Computer-Weltfirma IBM.
1980 übernimmt Thomas LeBlanc die fünf Seiten in seine Anthologie Start zu neuen Welten.

Habe ich den Cyberspace erfunden?

Dies könnte gut die erste CyberSpace-Geschichte gewesen sein – lange ehe William Gibson 1982 diesen Begriff prägte (s. unten Auszug aus der Wikipedia). Aber es gab davor schon andere Phantasien in dieser Richtung:
° Isaac Asimov schrieb eine Story, in der jemand mit technischen Mitteln in die Träume eines anderen Menschen eindringt. Asimov hat so viele Erzählungen publiziert, dass diese kaum ausfindig zu machen ist. Es könnte sich um “”Robot Dreams” aus dem Jahr 1986 handeln – aber in meiner Erinnerung veröffentlichte er schon viel früher etwas in der Richtung (es könnte sich um “Dreamworld” handeln, November 1955 in The Magazine of Fantasy and Science Fiction).
° Roger Zelazny schrieb erst 1965 die Story “Dream Master”, aus der im Jahr darauf der Roman He who shapes entstand, worin jemand in die Träume anderer Menschen eindringt.
Als Film hat diese Idee Christopher Nolan in Inception realisiert – eine furiose Achterbahnfahrt in ein Traum-Labyrinth mit mehreren Etagen. Hier ist das Medium zwar nicht wie bei Gibson das Internet, sondern ein Computer – und ist das Internet denn etwas anderes als ein weltumspannendes Netzwerk von Computern? Die “virtuellen Begegnungen” finden ja nicht in den verbindenden Kabeln statt – sondern in den Mikroprozessoren.
Ersetzt man “Traum eines anderen Menschen” mit “virtuelle Welt im Internet oder Computer” – landet man beim Koncept des Cyberspace.
Meine Geschichte vom “Metallenen Traum” ist – wie schon der Titel andeutet – zwischen diesen beiden Konzepten des “fremden Traums” und der “Internet-Virtualität” angesiedelt. Das Internet gab es 1964 noch nicht, als ich meine Geschichte ersonnen habe – als Arpanet wurde es vom amerikanischen Militär (US Air Force) erst ab 1968 gestartet.

(Wikipedia:) Die erste ernstzunehmende Ausformulierung des Konzepts findet sich bereits 1964 in Stanislaw Lems Summa technologiae, worin das Konzept des Cyberspace unter der Bezeichnung Periphere Phantomatik beschrieben wird. Eine weitere frühe Darstellung findet sich in Oswald Wieners Roman die Verbesserung von Mitteleuropa von 1969, in den Abschnitten notizen zum konzept des bio-adapters und appendix A. der bio-adapter.
In der Kurzgeschichte
True Names and Other Dangers (1987) führte Vernor Vinge die Ideen weiter. Seine Protagonisten wandern in einer virtuellen Welt und interagieren mit virtuellen Gegenständen. Manche haben sich in Gruppen zusammengeschlossen und verstecken sich in abgetrennten Teilen, genannt „Walled Garden“.
Wörtlich ist von Cyberspace erst 1982 in der Kurzgeschichte
“Burning Chrome” des amerikanischen Science-Fiction-Autors William Gibson die Rede, der allgemein zur Cyberpunk-Literatur gezählt wird. Gibson beschreibt den Cyberspace als konsensuelle Halluzination eines von Computern erzeugten grafischen Raums…

Lesefutter
Asimov, Isaac: Dreamworld (in: The Magazine of Fantasy and Science Fiction, November 1955). Deutsch: Dafür plage ich mich? In: Isaac Asimov, Martin H. Greenberg und Joseph D. Olander (Hrsg.): Feuerwerk der SF. Goldmann (Edition ’84: Die positiven Utopien #8), 1984, ISBN 3-442-08408-3. Auch als: Traumwelt. In: Hans Joachim Alpers und Harald Pusch (Hrsg.): Isaac Asimov — der Tausendjahresplaner. Corian (Edition Futurum #2), 1984, ISBN 3-89048-202-3.
ders: “Robot Dreams” (veröffentlichte in einer Anthologie gleichen Titels: Isaac Asimov: Robot Dreams). Deutsch: Roboterträume. In: Friedel Wahren (Hrsg.): Isaac Asimov’s Science Fiction Magazin 30. Folge. Heyne SF&F).
Gibson, William: “Burning Chrome”. In: in Omni (Juli 1982)
Kilchemann, Ruth (Hrsg.) Schlaue Kisten machen Geschichten. Nördlingen 1977 (IBM).
LeBlanc, Thomas (Hrsg.): Start zu neuen Welten. Science-Fiction-Erzählungen aus Deutschland. Freiburg 1980 (Herder Hardcover)
Maly, Herbert W. (d.i. Herbert W. Franke oder Wolfgang Jeschke): Der metallene Traum. München 1971 (Lichtenberg).
Nolan, Christopher (Regie): Inception. Nolan. USA 2010 ( Warner Brothers).
Scheidt, Jürgen vom: “Der metallene Traum”. München 1963 (Munich Round Up – als Manuskript gedruckt).
ders.: “Der metallene Traum” in Maly, Herbert W. (Hrsg:) und in Kilchemann, Ruth (Hrsg.)
Zelazny, Roger: The Dream Master, 1966, dt. Herr der Träume, Pabel, 1976, ohne ISBN (Terra TB 270); und Ein Spiel von Traum und Tod, Bastei-Lübbe, 1986, ISBN 3-404-23052-3 (basiert auf der Erzählung “He who shapes” aus dem Jahr 1965). Vollständige dt. Fassung von “He who shapes”: Der Former. Übers. Hans Maeter. In: Damon Knight Hg.: Computer streiken nicht. SF-Stories. Heyne TB 3360, München 1973 ISBN 3-453-30237-0 S. 61–156. Zuerst engl. in: Nebula Award Stories 1, 1965
Jahr 1965)

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Beruf Haiku Lyrik

Karl Valentin und die prekären Berufe als Haiku

Prekäre Berufe – das sind all jene gemeinhin als “kreative Tätigkeiten” bezeichneten “freien Berufe” – die bei enormem Einsatz miserabel bezahlt werden – mit Garantie auf Altersarmut. Die Fotografen zählen dazu und die Jazzmusiker und die Kunstmaler und die Grafikdesigner –
Ja, und auch die Schriftsteller und Schreib-Seminarleiter sowie viele Journalisten – also Angehörige jener drei Berufe, die ich selbst ausübe (wobei der Journalist nur noch also Blogger auftritt – also gar nichts verdient).

“Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit.”

Karl  Valentins viel zitiertes Bonmot hat ihm mit großer Sicherheit keinen einzigen Penny eingebracht – obwohl es inzwischen bestimmt unzählige Male zitiert worden ist, sich also andere Leute mit seinem kreativen Einfall schmücken (wie ich jetzt). Immerhin hat es mich zu eigener Kreativität angeregt, denn ich möchte es nun ergänzen und zugleich in ein Haiku verwandeln – was Valentis Ausspruch nahelegt, wenn man ihn in zwei Zeilen zerlegt:

“Kunst ist schön,
macht aber viel Arbeit.”

Das sind bereits fünf Silben – fünf Silben. Ergänzen wir diesen Zweizeiler durch eine dritte Zeile und fügen wir der zweiten Zeile das steigernde “meist sehr viel” hinzu – und schon ist das ein Haiku:

Kunst ist manchmal schön,
 macht aber meist sehr viel Arbeit
– und wird schlecht bezahlt.”

(Zählen sie es ruhig nach: fünf Silben – sieben Silben – fünf Silben.)

Das ist der Fluch der kreativ-prekären Berufe: Sie werden in der Regel “schlecht bezahlt”. Dieser Blog ist ein passendes Beispiel: Er ist hoffentlich “schön” (zumindest die Abbildungen sollten es sein), macht höllisch viel Arbeit – und bezahlt wird dafür gar nichts. Jedenfalls nicht direkt. Vielleicht lockt die Qualität und das Thema “Schreiben” den einen Leser oder die andere Leserin in eines meiner Schreib-Seminare. Dann wäre der Blog immerhin PR, die sich finanziell bemerkbar macht.

Und jetzt noch das passende Bild von Spitzweg (aus der Wikipedia, die es aus vom heutigen Standort in der Neuen Pinakothek übernommen hat):

  • – – –

Tja, das geht leider nicht, weil WordPress das Bitmap-Format nicht akzeptiert. Macht aber nichts. Dieser “Arme Poet” hart sich so tief ins kollektive Gedächtnis des Abendlandes eingeprägt, dass jeder einigermaßen Gebildete es inzwischen kennen dürfte. Und notfalls können Sie es sich ja in der Wikipedia anschauen: Einfach “Der arme Poet” eingeben – und schon haben sie es. Carl Spitzweg hatte schlauerweise als Apotheker einen nicht-prekären Brotberuf und wäre später im Leben sicher auch als Kunstmaler gut zurechtgekommen. Im Gegensatz zu seinem weniger glücklichen Malerkollegen Vincent van Gogh, dessen Bilder zu Lebzeiten niemand haben wollte und die heute mit zig Millionen gehandelt werden. Pech gehabt. Das richtige Jahrhundert muss man eben auch erwischen oder einen reichen Gönner (oder eine reiche Frau). –

Jetzt hab ich es doch noch geschafft, das bmp-Format ins jpg-Format umzuwandeln, und hier ist er, der “arme Poet” (den Spitzweg selbst nie als solchen bezeichnet hat – das machten erst seine biedermeierlichen Zeitgenossen und Nachfahren):

Carl Spitzweg: Der arme Poet (1839 – Neue Pinakothek)

Hoffentlich krieg ist jetzt keine Abmahnung von einem schlauen Rechtsanwalt. Aber bei mir ist nichts zu holen (s. oben “prekäre Berufe”).

Arbeitszeit für diesen Blog-Beitrag: 1Std 20 Min. Verdienst: niente.