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Autobiographisches Beruf Labyrinthiade Psychologie Schreiben Schreibseminare Science-Fiction Zufall

Hallo – das bin ich

Hier will ich vorab definieren, worum es mir in diesem neu gestarteten Blog geht. Ich will mich darin mit allem befassen, was das Schreiben betrifft. Begleitende Themen (Kategorien) sind die Labyrinthiade und die Entschleunigung. Das hängt (für mich jedenfalls) alles eng zusammen: Beim Schreiben bewegt man sich entschleunigt durch das Labyrinth des eigenen Lebens (oder des Projekt-Themas, an dem man gerade arbeitet).

Aber zunächst einmal will ich mich mit einem aktuellen Portrait auch optisch vorstellen (weitere Details in → ABOUT) – den Hut habe ich übrigens nur zu diesem Anlass aufgesetzt:

Abb.: Jürgen vom Scheidt, Schriftsteller und Leiter von Schreibseminaren (Foto: GvSch 2019)

Warum dieser Hut? Er tauchte irgendwann in der Familie auf, ein Erbstück. Ich sah ihn und dachte spontan: So einen Hut hat mein Vater immer gerne getragen, ein Borsalino. Deshalb ließ ich mich damit auch spaßeshalber ablichten – s. das Bild oben. Typisch 50er Jahre für seriöse Bürger. Ich habe nie einen Hut getragen (außer im Sommer als Sonnenschutz). Aber als mir das Foto wieder mal zufällig über den Weg lief, dachte ich: Das passt doch gut zu einer Inszenierung.

Inszenierung? Nun, wir spielen immer irgendwelche Rollen, je nach Umgebung sind wir mal so und mal so. Beim Klassentreffen rutschen wir rasch, wie mit einer Zeitmaschine, zurück in die Vergangenheit, als wir gemeinsam die Schulbank drückten. Andertags in der Arbeitssituation sind wir nicht der Klassenclown (der wir am Vorabend und damals in der Schule vielleicht waren), sondern der seriöse, gut beherrschte Was-auch-immer.

Nun also “Mann mit Hut”. Das hat tatsächlich viel mit meinem Vater zu tun (dem ich im Alter zu meiner eigenen Überraschung in mancher Hinsicht ähnlich werde, zumindest innerlich und zeitweise) – nicht zuletzt, weil dieser Blog eine Art Goldwaschanlage für meine Autobiographie sein soll (an der ich seit einem Jahr arbeite) und mein Vater darin in vielerlei – und manchmal sehr widersprechender Weise – eine wesentliche Rolle spielt.

Goldwaschen – darum geht es beim Schreiben immer. Man sammelt und sinniert und recherchiert und erinnert sich – aber nur die wirklich wertvollen Goldnuggets sollten im Endprodukt landen.

Nachdem ich auch parallel dazu an einem Roman arbeite, solte sich neimand wundern, dass hier immer wieder auch Erzählendes zu finden ist.

Doch außer dem “Schreiben und Veröffentlichen” gibt es noch zwei weitere große Themen: Die Labyrinthe und die Entschelunigung.

Unter Labyrinthiade verstehe ich die vielfach verschlungenen Geschichten der griechischen Labyrinth-Sage um Daidalos und Icaros sowie um Theseus und Ariadne (und viele Figuren mehr) sowie um die rätselhaften Strukturen realer Labyrinthe und Irrgärten und das, was ich Yrrinthos nenne – nämlich all jene Labyrinthe, die eigentlich gar keine sind (weil sie nur einen einzigen, wenngleich sehr verschlungenen Gang aufweisen, indem man sich jedoch nicht verirren kann), die aber meistens keine Gärten sind, sondern lediglich sehr verwirrende Strukturen – etwa wie eine fremde Großstadt, in der man sich nicht zurechtfindet (oder so kompliziert wie dieser Satz hier).
Das Labyrinth und die Bewegung durch diesen einen Gang hin zum Kern der Struktur ist für mich aueßerdem die Metapher schlechthin für den Vorgang des Schreibens
– bei dem man ja auch ein Ziel hat (z.B. eine spannende Kurzgeschichte mit einer überraschenden Pointe), aber dann auf dem Weg zu diesem Ziel oft ziemlich lange und irritierende Umwege machen muss, bis der Text so ist, wie man ihn haben möchte (oder wie dieser Text sein will – Texte können rasch ein verblüffendes Eigenleben entwickeln).
 
° Das dritte Thema, die Entschleunigung ist ebenfalls ein wesentliches Unterthema des Schreibens. Denn das schriftliche Festhalten verlangsamt den meist recht freien und rasch umherschwirrenden Gedankenflug – weil die schreibende Hand eben weit langsamer arbeitet als das denkende und fühlende Gehirn.
Keine Frage ist es für mich, dass mindestens so wichtig das Gegenteil ist: die Beschleunigung. Auch sie spielt beim Denken und Schreiben eine wesentliche Rolle:
° Zum einen, weil unser Gehirn mit seinen unglaublichen 100 Milliarden Neuronen mit 100 Billionen synaptischen Verbindungen rasend schnell arbeitet – wovon in unserem Bewusstsein aufgrund seiner “Enge” jedoch nur winzige Bruchstücke ankommen.
° Zum anderen, weil wir im Schreiben beliebig “schnell” sein können: Beispielsweise mit einem Wimpernschlag von Sekundenbruchteilen irrsinnige “Tausende von Lichtjahren” in einer SF-Story überwinden, weil unsere Phantasie keinerlei Grenzen in Raum und Zeit setzt – zumindest nicht in der Science-Fiction.
Aber auch sonst lebt Literatur vom “Zeitrafferverfahren” der Szenenwechsel und der Veränderungen des Blickwinkels – und von der Komprimierung. So verdichtete beispielsweise James Joyce in seinem bizarren Roman Ulysses einen einzigen Tag in Dublin zu gerade mal 800 Seiten, obwohl er jedes noch so winzige Detail in Raum und Zeit vor den Leser hinstellte, samt Nebengedanken nach allen sechs Himmelsrichtungen (eben auch nach oben und unten). Was sind da schon 800 Seiten!

*

Dieser Blog wird sich mit der Gegenwart befassen, was unvermeidlich auch zum Thema “Corona-Pandemie” führt (meine Kategorie hierzu: CAN-Blog).
Er wird sich auch mit der Vergangenheit befassen – nicht zuletzt, weil ich hier auch Erinnerungen für meine Autobiographie sammle (Kategorie: AutoBio).
Und dann ist da noch so manches, was mit der Zukunft zu tun haben wird (z.B. in der Kategorie: Science-Fiction).

*

Falls Sie zufällig das Datum dieses Beitrags am Ende dieser Zeilen lesen (das ansonsten immer rechts am Rand des Blogs steht) wundern Sie sich vielleicht über diesen “13. November 2020”. Eigentlich müsste das Datum lauten: “(Freitag) 13. November 2026” – aber das geht nicht, weil dieser Post dann erst zu jenem Datum veröffentlicht und hier im Blog sichtbar werden würde.
Aber das ist eine Geschichte, die will ich, wie so manches weitere in diesem Blog, “ein andermal erzählen” (wie Michael Endes das so schön zum Running Gag seiner Unendlichen Geschichte gemacht hat). Hier nur so viel:
“Freitag, der 13. November 2026” ist das fiktive Datum, von dem ausgehend sich eine Serie der Zeitschrift Psychologie heute mit der kommenden Welt des Jahres 2050 beschäftigte, veröffentlicht in den 1990er Jahren beschäftigte. Ich verfasste zu dieser Serie einen Essay mit dem Titel “Homo futurus” (der sich mit der Psyche der kommenden Menschen befasstte). Seitdem hat mich dieses Datum nicht mehr losgelassen – das ichpersönlich vielleicht nicht mehr erleben werde.
Obwohl: Hundertjährige gibt es inzwischen schon 16.500 allein in der Bundesrepublik und erklecklich viele davon sind sogar 110 Jahre alt. Fragt sich nur, in welchem geistigen, seelischen und körperlichen Zustand sie sich befinden und ob das für mich unbedingt erstrebenswert ist.

Aber die Medizin macht ja Fortschritte, und seit 50 Jahren mache ich jeden Morgen meine Yoga-Übungen, die mir ein Mann beigebracht hat, der immerhin 90 wurde und einst ein Buch mit diesem Titel schrieb: Die Kunst sich selbst zu verjüngen. Max Kirschner wurde 1900 geboren und hat zwei Weltkriege und viele anderen Entbehrungen durchgemacht – ich wurde 1940 geboren und hatte das große Glück, bisher von Entbehrungen verschont zu sein und wenn ich die Corona-Pandemie überlebe – wer weiß…

Besuchen Sei diesen Blog am 13. November 2026 – und vielleicht wieder im Jahr 2050 – und Sie werden es erfahren.

© Jürgen vom Scheidt – geschrieben 18. Nov 2020 – zur Wiedervorlage am Freitag, den 13. November 2026

 

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3 (drei) Haiku Hochbegabung Psychologie Schreiben

Die 3 (drei) ist häufig dabei

Nicht nur ich habe ein spezielles Faible für die Zahl 3 (drei). Wenn Sie ihre Tageszeitung mal genauer anschauen, finden Sie zum Beispiel, dass der “Seite Drei” darin eine spezielle Bedeutung zukommt. Dort stehen immer die großen Reportagen (jedenfalls ist das bei der Süddeutschen Zeitung so).
Jeder längere Artikel besteht aus drei Abschnitten:
° Titel (oft nur ein MindCatcher, der Ihre Aufmerksamkeit erregen soll).
° Darunter die Einlaufzeile (auch Synopse genannt), in der genauer erläutert wird, worum es in diesem Text geht. Sie ermöglicht Ihnen zu entscheiden, ob sie weiterlesen im
° Fließtext darunter, in dem die ganze Geschichte ausgebreitet wird.

Auch die Titel selbst bestehen oft schon aus genau drei Elementen – Journalisten nennen das die Dreiklangfanfare: “Friede, Freude, Eierkuchen” wäre so ein Beispiel. “Titel, Thesen, Temperamente” ein anderes. Und noch ein drittes (genau!) Exempel: “City of Desaster” (okay, das ist jetzt ein wenig gemogelt).
Am unteren Rand der einzelnen “Bücher” der Zeitung (Feuilleton, Wirtschaft, Sportteil, Lokales) werden gerne die drei wichtigsten Artikel angekündigt: “Im Rampenlicht” / “Im Zwielicht” / Im Dunkeln”. (Warum nicht nur zwei – oder gar fünf?)

Schauen Sie doch auch mal auf die Startseite dieses Blog: Da werden Ihnen wie viele Artikel angeboten?

Früher dauerte ein Song in der Jukebox drei Minuten – ungefähr. Das war der Standard. Weil das sowohl zum Zuhören wie zum Tanzen sehr angenehm war (und für den Jukebox-Betreiber finanziell ergiebiger). Bis neue Technik die Langspielplatte ermöglichte und die Jukeboxen verschwanden.

Wie wär´s mit einem “flotten Dreier”? Oder mit einer richtigen “Dreiecksbeziehung”? Geht selten gut – weil viel zu psychodynamisch. Das liest man jedenfalls in einem Interview mit dem französischen Regisseur Garrell über seinen neuesten Film “Ein Mann zum Verlieben”. Der Artikel hat den Titel “Die Drei ist eine Utopie”.

Drei Minuten soll der Tee ziehen..

Drei Minuten surrt die elektrische Zahnbürste.

“Die ersten drei Minuten…” lautet der Titel eines Buches über die Entstehung des Universums nach dem Urknall. (Warum nicht vier Minuten – oder zwei?)

Etwa drei Prozent er Bevölkerung sind hochbegabt, mit einem Intelligenzquotienten ab 130 aufwärts. (Genau genommen sind es 2,27% gemäß der Normalverteilungskurve – aber mit 3,00% lässt sich leichter rechnen – und so genau kann man die Grenze gar nicht ziehen, die HB von normaler Begabung trennt.)

Die Basis des christlichen Glaubens ist die Trinität von “Gott Vater, Gott Sohn und Heiliger Geist. (Ja, die Gottesmutter Maria hätte das ganz schön durcheinander gebracht. Deshalb haben die Protestanten sie vermieden – und die Katholiken ihr im Nebengang der Kirchen einen Seitenaltar zur Verehrung gebaut).
Die Basis des hinduistischen Glaubens ist eine völlig andere Trinität: Brahma, Shiva und Vishnu.

Eine höchst dynamische Zahl

Was macht eine Familie aus? Vater – Mutter – Kind.
Und wie kommt man dort hin? Verliebt – verlobt – verheiratet. (War jedenfalls früher so.)

Was sind die wesentlichen Entwicklungsstadien von Romanfiguren (und oft auch im richtigen Leben)? Täter – Opfer – Retter.

Wie heißen die Zeitmodi? Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft.

Was sind die Phasen einer klassischen Heldenreise? Oberwelt – Schwelle – Unterwelt.

Was brauchen Sie, damit Ihr Handy funktioniert? Geladener Akku – Guthaben – Passwort.

Wie geht ein guter Abzählreim? “Eene – meene -muh / raus bist du”.

Wieviel Zeilen hat ein Haiku? 5 Silben / 7 Silben / 5 Silben.
Beispiel (eben gedichtet):
5 Mit “eins” beginnt es
7 Kommt ein zweites noch dazu
5 Gibt “drei” keine Ruh.

Das Beste kommt zum Schluss:

Aller guten Dinge sind drei” – so sagt man doch, oder?”

Lesefutter
Garrell, Louis (Interview: Gansera, Rainer): “Die Drei ist eine Utopie”. In: Süd.Zeitung Nr. 257 vom 06. Nov
2020, S. 12 (Feuilleton).
Könneker, Carsten: Wissenschaft kommunizieren. Weinheim 2012 (Wiley VCH). Kap. 8.2.7 “Der Dreiklang”.
– ISBN 978-3-527-32895-6. 219 Seiten – € 24,90. Ein sehr lesenswertes Buch mit vielen guten
Schreib-Tipps – nicht nur für Wissenschaftsjournalisten.
Mühlauer, Alexander: “City of Desaster” (In London wütet das Corona-Virus mehr als irgendwo in Europa).
In: Süd.Zeitung Nr. 11 vom 15. Jan 2021 S. 03 (Seite Drei).

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Autobiographisches Fiction Kindheit Krieg Psychologie Schreiben Science-Fiction Zukunft

Kriegskinder und Kriegsenkel

Wenn man im Februar 1940 geboren wird, ist man ein Kriegskind. Was das bedeutet, habe ich erst lange nach meinem Studium der Psychologie erfahren und viele Jahre nach zwei Psychoanalysen.

Das Thema Kriegskindheit blubberte erstmals 2003 in mein Bewusstsein nach der Lektüre eines Vortrags von Michael Ermann, der um die Jahrtausendwende (in nicht autorisierter Abschrift) durch die Psycho-Szene geisterte und über eine Freundin einer Freundin meiner Frau Ruth schließlich bei mir landete. Ich habe mir, wie elektrisiert von dem Thema, gleich das Büchlein von Peter Heinl besorgt, das die Grundlage des Vortrags war – und habe es zweimal in einem Zug durchgelesen.

Warum habe ich wohl 1959 (das muss nach dem Abitur in einer schöpferischen Zwischenzeit gewesen sein) diese Tusche-Graphik mit dem Titel “Krieg im Weltenraum” gezeichnet? Nicht etwa, weil ich kriegsbegeistert bin (wie einst mein Großvater Karl Hertel) – ganz im Gegenteil. (Die Antwort folgt weiter unten.)

Krieg im Weltraum. (JvS – Tuschezeichnung Aug 1959)

Inzwischen gibt es eine ganze Reihe von Publikationen über Kriegskinder – und längst auch über die Kinder dieser Kriegskinder – die Kriegsenkel. Es fiel mir wie die sprichwörtlichen “Schuppen von den Augen”, als ich Gefühle und Situationen entdeckte, die ich selbst als Kind erlebt hatte – allen voran die Nicht-Existenz eines Vaters. Letzteres war meine Situation zum Glück nur in den ersten fünf Lebensjahren: Mein Vater kehrte im Juli 1945 aus amerikanischer Gefangenschaft und somit aus dem Krieg zurück, und zwar zumindest körperlich unversehrt (dass es so etwas wie seelische Traumatisierungen gibt, lernte ich auch erst sehr spät). Aber der frühe Mangel ist nun mal prägender als alles, was später kommt.

Erst lange danach fiel mir ein, dass ich mich mit den “abwesenden Vätern” schon vorher in meiner Dissertation Der falsche Weg zum Selbst befasst hatte.

Kriegs-Geschichten – weit weit weg

Aber erst als ich – nochmals fast zwei Jahrzehnte später – 2020 mit der Arbeit an diesem Blog begann, begriff ich, warum das Thema Krieg, wie selbstverständlich, in meinen Erzählungen auftaucht – und zwar von Anfang an. Zwei meiner allerersten Kurzgeschichten (“Nur ein kleiner Fehler”, “Eine unter vielen”) handeln von zukünftigen Kriegen auf fernen Planeten – ja, möglichst weit weg sollte das sein. Auch in meinem ersten Roman Männer gegen Raum und Zeit geht es gegen Ende richtig kriegerisch zur Sache: Mit der Zerstörung des sagenhaften Kontinents Atlantis hier auf der Erde – was nur das Echo eines noch viel gewaltigeren Krieges weit weg im Weltraum ist. (Der Roman spielt in fernster Zukunft – aber der Untergang von Atlantis schlägt eine Brücke viele Jahrtausenden zurück in die Vergangenheit – in der Science-Fiction geht das problemlos.)

In meinem zweiten Roman Sternvogel geht es viel zivilisierter zu: Die “richtigen” Kriege sind dort von Handelskriegen weit friedlicherer Art abgelöst.

Aber in meinem dritten Roman, Der geworfene Stein, geht es wieder richtig zur Sache”: Ein Atomkrieg hat die Erde verwüstet, die Menschen leben in wenigen Rückszugsgebieten unter schützenden Energiekuppeln (München ist eines dieser Reservate). Mongolische Horden durchstreifen den Kontinent, eine ist schon bis nach Starnberg vorgedrungen. Und aus Afrika attackieren feindliche Jets die einstige bayerische Hauptstadt. Aber es gibt eine Art Happy-end: Die Geschichte geht gut aus. Für´s erste. (Möge uns das erspart bleiben – Corona ist lange nicht so schlimm wie Krieg.)

Und was ist mit den Kriegsurenkeln?

Hat man den Mechanismus der (mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht nur psychischen) Weitergabe von Kriegstraumata an die Nachkommen erst einmal akzeptiert und ist einigermaßen sensibilisiert für die Bedeutung solcher Weitergaben, gibt es eigentlich nur eine richtige Antwort auf die damit verbundenen Fragen und Probleme:
Man muss beginnen, diese Altlasten im eigenen Leben aufzuarbeiten- damit man sie nicht weiter “vererbt”. Als ich 1965 aus ganz anderen Gründen (die an der Oberfläche mit meinem Studium zu tun hatten) eine Psychoanalyse begann, dacht ich nicht daran, dass ich damit auch anfing, diese Altlasten anzuschauen und ihre Narben zu erkennen. Und dass dies eine Möglichkeit war, sie nicht an eigene Kinder weiterzugeben. Damals wollte ich gar keine Kinder haben (eine Art Selbstschutz vor solcher Verantwortung?). Die Psychoanalyse war erfolgreich. Ich traute mir irgendwann sogar drei Kinder zu. Und hoffe, dass ich keine Kriegstraumata an sie weitergegeben habe – was letztlich sogar die noch spätere Generation belasten könnte (das wären dann “Kriegsurenkel”) .

In der Bibel steht viel Unsinn aus vorwissenschaftlichen Zeiten. Aber sie transportiert doch auch einige Urweisheiten, die zeitlos gültig sind. Eine davon hat mich immer schon beeindruckt, was noch verstärkt wurde durch die Beschäftigung mit der “Kriegskinder”-Problematik:
Die Sünden der Väter werden gerächt bis uns dritte und vierte Glied” (und manchmal sogar bis ins “siebte Glied”.
Es gibt dazu inzwischen einen eigenen Forschungsbereich in der Psychologie: Die Transgenerationale Traumaweitergabe. In der Wikipedia findet man dazu noch keinen Artikel (Stand: 11. Jan 2021) – aber wenn man den Begriff googelt, entdeckt man so allerhand.

Quellen
Heinl, Peter: Maikäfer flieg, dein Vater ist im Krieg (1994) München 2003 / 3. Aufl. (Kösel).
Scheidt, Jürgen vom: “Nur ein kleiner Fehler“. In: Utopia-Magazin Nr. 6. Rastatt 1956 (Pabel Verlag).
ders.: “Eine unter vielen”. Füller in: Williamson, Jack: Die Zeitlegion.
ders.: Männer gegen Raum und Zeit (Leihbuchausgabe). Wuppertal-Barmen 1958 (Wieba).
ders.: Sternvogel. Minden 1962 (Bewin)..
ders.: Der geworfene Stein. Percha bei München 1975 (R. S. Schulz).
ders.: Der falsche Weg zum Selbst. Studien zur Drogenkarriere. München 1976 (Kindler-Verlag, Geist und
Psyche). Überarbeitete Neuausgabe Frankfurt am Main 1984 (Fischer Taschenbuch).
Williamson, Jack: Die Zeit-Legion – Utopia-Großband Nr. 65. Rastatt 1958 (Pabel-Verlag).

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3 (drei) Autobiographisches Haiku Kreativität Lyrik Naturwissenschaft Psychologie Sachliches (Sachtexte) Science-Fiction

GeistQuantenfluktuationen

Achtung – jetzt wird es winzig, richtig multimikroskopisch ultra nanomäßig klein. Und ein wenig science-fiction-artig. Aber es wird zugleich auch immens schreibpraktisch.

Quantenfluktuationen sind die kleinste vorstellbare Einheit der Welt – Manifestationen des Planck´schen Wirkungsquantums. Max Planck hat es sich als Grundlage der von ihm um 1900 begründeten Quantenphysik ausgedacht. Ausgedacht – das ist das Schlüsselwort. Niemand wird jemals ein solches Teilchen beobachten. Es ist ein geistiges Konstrukt, das man in die mathematischen Formeln der Quantenphysik einbauen kann. Das funktioniert bestens.
Harald Lesch stellt dafür in dem Film “10 hoch” eine gute Visualisierung vor: Aus dem Nichts (Vakuum) gemächlich aufblubbernde Bläschen. Sie “blubbern” natürlich nicht – sie geben keinen Ton von sich – “dort unten” im kosmischen Vakuum gibt es keine Töne. Aber das ist eine anschauliche Vorstellung.
Ich liebe dieses Wort “Quantenfluktuation” – das ist pure Poesie. Es ist sehr anschaulich (wenn man weiß, worum es sich handelt und den Film mit Lesch gesehen hat). Es passt bestens in jede Science-Fiction, die ja ihre ganz eigene technische und naturwissenschaftliche Sprache hat und – wenn sie gut ist – auch Poesie. Muss man aber mögen.

Als Jugendlicher zwischen Abitur und erstem Studiensemester habe ich mal während einer “malenden Phase” die folgende Skizze gezeichnet. Sie kommt heute in meiner Vorstellung dem am nächsten, was bei einer Quantenfluktuation geschehen könnte und sich eigentlich nicht beschreiben lässt. Aber man kann sich dem annähern. Als ich im Sommer 1959 das Bild anfertigte, hatte ich keine Ahnung von QF. Oder wie das sein könnte, wenn aus dem Unbewussten etwas in dieser Art aufsteigt und so etwas wie psychische Energie wird – die dann zum Beispiel zu so einem Bild gerinnt, wenn man dem Fluss der Energie folgt.

In vielfacher Vergrößerung: Aus der Schwärze des Vakuums emaniert ein Quant – könnte aber auch was anderes sein (JvS 1959-08-06)

GeistQuantenfluktuationen – was soll das denn sein?

Unter Geist versteht die Philosophie (und heute ihre moderne Tochter, die Psychologie) ein drittes* Element neben Körper und Psyche. Die heutigen Psychologen mögen den Begriff nicht sonderlich – da kann man nichts messen, wiegen, zählen. Aber niemand wird bestreiten, dass es so einen eigenständigen Bereich gibt. Denn Gedanken, als Grundelement des Geistes, sind nun mal nicht körperlicher Natur oder seelischer Art (wie die Gefühle). Beispiel: Das Wort “GeistQuantenfluktuationen”.

* Körper, Seele und Geist – das ist ein sehr schönes Beispiel für die Bedeutung der Zahl “3” – nicht nur in der Philosophie. Deshalb habe ich dafür eine eigene Kategorie eingerichtet: “3 (drei)”.

Ich habe mir diesen Begriff heute früh ausgedacht – nein: das Wort ist mir eingefallen. Es “fiel” buchstäblich in mein Bewusstsein ein, als ich nach etwas suchte, das den Vorgang beschreibt, der jeden Morgen bei mir abläuft, wenn ich nach dem Aufwachen erst einmal im Dunkeln sitze. Das ist meistens so gegen 05:00 Uhr, also im Übergang von der Nacht in den Tag, wo manchmal ein Traum nachschimmert (oder heftig nachhallt, wenn es ein Albtraum war), aber auf jeden Fall irgendwelche Gedanken, Ideen, Einfälle hochblubbern. Woher kommt das? Aus der Nacht- und Traumwelt. Aus dem seelischen Urgrund. Aus dem Unbewussten (wie Freud das nannte), oder aus dem Vorbewussten (wie ebenfalls Freud jenen anderen, bewusstseinsnäheren Bereich nannte, der schon einmal bewusst war, aber wieder vergessen wurde und so etwas wie die Quelle der Kreativität ist)
Inspiration nannte man das früher – vom griechischen Wort für “einhauchen”. Etwas wird eingehaucht. Etwas blubbert hoch – so wie die Quantenfluktuationen aus dem kosmischen Urgrund des Vakuums hochblubbern, sich zu Quarks und immer höheren, komplexeren Elementarteilchen zusammenfinden, Atome bilden daraus Moleküle, diese schließen sich zu Zellen zusammen – Leben beginnt – und auf der höchsten beobachtbaren Ebene: Menschen wie Sie und ich. Das kann man sich doch gut vorstellen, oder*?

* Was man sich nicht mehr vorstellen kann: Woher sollen denn diese Quantenfluktuationen kommen – wenn es “da unten” weder Raum noch Zeit noch sonst irgendetwas gibt? Eine Frage, auf die es niemals eine Antwort geben wird – genau wie auf diese Frage: “Was war vor dem Urknall?” – wo kommt diese ultrawinzige Materieballung her, in welcher das gesamte Universum enthalten ist und aus der es sich entfaltet, Raum und Zeit bildet –
Lassen wir das. Sonst landen wir noch im Irrenhaus, pardon: in der Landesnervenheilanstalt – so heißt das heute euphemistisch. Meint aber dasselbe: An der Welt irre werden – sich verlieren im Yrrinthos der Welt. (Zum “Yrrinthos” an dieser Stelle mehr.)

Continuos creation des Geistes: auch Kreativität genannt

Der Begriff “Quantenfluktuationen” ist wiederum ein sehr gutes Beispiel für das, was ich “GeistQuantenfluktuationen” nenne – ein Gedanke, der um 1899 in Max Planck hochgeblubbert ist, sich erst in Texten und Formeln des Gelehrten manifestierte und irgendwann Bestandteil des modernen naturwissenschaftlichen Denkens wurde. Er ist – obwohl niemand ihn je gesehen und beobachtet hat und dies niemals der Fall sein wird – ein Element der Wirklichkeit geworden.
Und vielleicht wird sogar, wenn andere diesen meinen Begriff aufnehmen und verwenden, die “GeistQuantenfluktuationen” ebenfalls zu einem Element der Wirklichkeit – obwohl dies nichts anderes als eine “GeistQuantenfluktuationen” ist, die heute früh in mir hochgeblubbert ist. Und selbst wenn sonst niemand den Begriff übernimmt – in meiner Wirklichkeit ist er nun da und macht mir anschaulich, was Kreativität ist (und auch Phantasie): Einfälle (die von irgendwo aus einem geheimnisvollen “oben” einfallen) – oder eben von “unten”, ebenso geheimnisvoll hochblubbern, aus den Archiven meines Gedächtnisses oder woher sonst sie entstehen mögen.
Continuos creation – das war in der Kosmologie lange die Beschreibung dessen, was im Kosmos ständig passiert. Einstein glaubte noch an dieses ständige Weiterfließen von Raum, Zeit, Materie und Energie “von irgendwoher”. Bis Hubble mit der Idee des Big Bang, des Urknalls daherkam. Die Kontinuierliche Schöpfung (die ja eigentlich keine war, oder? Wer soll den das “geschaffen haben?) lebt aber paradoxerweise immer noch weiter – eben als Konzept der – genau: der Quantenfluktuationen! Die ja unaufhörlich aus dem Vakuum, dem Nichts entstehen und neue Materie/Energie bilden…

Rätselhafte Welt, diese Physik. In der es allerdings auch andere Paradoxien gibt, wie die “Welle-Korpuskel-Dualität” des Lichts. Mit dem wunderbaren Nebeneffekt, dass Heisenberg mit seinem Unschärfe-Theorem die Psychologie in die Physik hineingeschmuggelt hat: Den Beobachter. Es liegt “im Auge des Betrachters” (so ungefähr hat das Shakespeare dies mal in Bezug auf die Schönheit formuliert), ob das Licht als Welle beobachtet wird – oder als Korpuskel.
Und es liegt “im Wollen des Handelnden”, ob er aus einem Blubber-Gedanken einen Song komponiert, eine Statue aus einem Stein haut, ein Gemälde gestaltet, einen Aphorismus kreïert, vielleicht sogar einen ganzen Roman mit tausend Seiten – oder vielleicht nur ein winziges Haiku.

“I bombed Munich”

Ein anschauliches Beispiel für eine GeistQuantenfluktuation habe ich dieser Tage Anfang Janaur 2021 erlebt, als irgend etwas (keine Ahnung mehr, was das war) eine Erinnerung an ein Erlebnis 1992 in Brig im Kanton Wallis auslöste. Ich habe es hier im Blog beschrieben. Das war natürlich nicht ich, der da bombte – aber vielleicht lesen Sie es hier im Blog nach: “I bombed Munich” .-

Und hier noch ein Haiku (eben in mir hochgebubbelt)

Geist Quan ten fluk tua tion – sechs Silben. Könnte man da vielleicht ein Haiku draus machen? Wie wär´s damit:

Quan ten fluk tua tion
So blub bert der Geist em por
Aus Rät sel tie fen

Zählen Sie es ruhig nach: 5- 7 – 5 Silben. Guten Morgen, allerseits.

Quelle
Windorfer, Gerhard und Lenz, Herbert (und Harald Lesch als Sprecher und Moderator): 10 hoch 26 bis -35: Universum und Quanten. Deutschland 2010 (Komplett Media).

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Autobiographisches Psychologie Schreibseminare Zufall

Psychopathen sind unter uns

Donald Trump und seine Anhänger sind wie Spiegelbilder voneinander. Der Präsdent kann seine Abwahl nicht annehmen – er schüttet seinen trotzigen Haas ins Land hinaus, fordert führende Politiker unverblümt am Telefon zum Wahlbetrug auf und hetzt seine Anhänger auf – die dann das Kapitol stürmen. So etwas wie den dieser Tage von ihm sehr offen angezettelten Aufruhr seiner fanatisierten Wähler kann man nicht mehr nur als “kriminell” bezeichnen: das ist offene Aufforderung zum Krieg gegen den politischen Gegner!

So direkt hat sich kaum jemand in der Weltgeschichte selbst ans eigene Messer geliefert.

Heute spricht man in der Psychologie lieber von Soziopathen als von Psychopathen, weil sich ihr zerstörerisches Verhalten sozial auswirkt. Aber der ältere Begriff passt schon: Es handelt sich um eine Persönlichkeitsstörung – wenn man den Großteil der Bevölkerung als “normal” (oder “normal gestört”) kategorisiert.
Alle, die nicht zu seinen glühenden unkritischen Verehrer zählen, sind sich einig, dass ein echter Psychopath derzeit noch immer im Weißen Haus in Washington sitzt. Nicht nur ich haben seine Abwahl deshalb als ausgesprochenen Glücksmoment erlebt. Aber wie er sich noch immer an seinen Sessel klammert, seine Abwahl kategorisch leugnet und egomanisch-narzisstisch seine ganze Nation manipuliert und blockiert – und das in Corona-Zeiten – das ist schon sehr deutlich das Handeln und Wüten eines Psychopathen. Er hat im Dezember, eigentlich schon nicht mehr richtig im Amt, noch zwei extrem wichtige Gesetzesvorhaben durch Veto blockiert und damit sogar seine eigenen Parteianhänger in Kongress und Senat so gegen sich aufgebracht, dass sie sein Veto ignorierten:
° Das eine war die so wichtige Corona-Hilfe für Millionen in der Pandemie verarmte Amerikaner –
° das andere der Militäretat, der vorher kaum je von einem Präsidenten blockiert worden war.
Da kann man wirklich einem Mächtigen zuschauen, der in seiner Egomanie sich das eigene Grab schaufelt, dabei aber möglichst viele andere Menschen mit sich in die Tiefe reißt.

Sieht so ein Psychopath von innen aus? (JvSch 1959)

Aus eigener Anschauung

Ich konnte so jemanden einmal während eines Seminars aus nächster Nähe studieren, noch dazu einen Berufskollegen. (Ja, das ist möglich – auch Psychologen können psychopathisch agieren). Er hat mir dieses Seminar brutal so zerstört, dass nach und nach alle Teilnehmerinnen vorzeitig abreisten. Bezeichnenderweise finde ich ihn auch heute noch irgendwie auch sympathisch, er hatte nämlich ein sehr einnehmendes, charmantes Wesen. Das war seine eine Seite. Aber er hatte auch diese rücksichtslos manipulierende, sehr arrogante andere Seite.
Seine zerstörerische Seite zeigte sich schon darin, dass er, kaum angekommen, auf den Balkon des Seminarhauses trat, ins Tal schaute und dann sich über den Laptop in einen fremden Computer einhackte, um auf Kosten von dessen Besitzer zu telefonieren: “Warum ist der so blöd, sich nicht mit Passwort zu schützen!”, war seine Bemerkung, als ich irritiert nachfragte.. Er kam einen Tag zu spät und fuhr zwei Tage früher ab. Dazwischen verschwand er mit einer der Teilnehmerinnen für einen Tag zu einem Besuch in ein nahegelegenes Thermalbad. Und in einer seiner Geschichte (er konnte brillant schreiben) charakterisierte er eine der im Raum anwesenden Teilnehmerinnen mit ihrem echten Vornamen in einer fast pornographischen Geschichte als Sexsklavin. Als ich ihn bei dieser Lesung irritiert unterbrach und darauf hinwies, dass das so nicht ginge – war er richtig überrascht: “Aber wieso denn nicht?”
Bei anderer Gelegenheit erzählte er mir “unter Kollegen” von seiner Arbeit in einem Assessment-Center, wo er Probanden mit geradezu sadistischem Vergnügen in Fallen laufen ließ.
(Seltsamer Zufall: Ich ich das eben schrieb – meldete sich eine Frau, die damals in diesem Seminar dabei war, für ein aktuelles Seminar in diesen Tagen Anfang 2021 an – nachdem wir jahrelang keinen Kontakt mehr miteinander gehabt hatten. Wirklich sehr seltsam.)

Zu diesem Thema ein Zitat aus dem Jahr 1929

“Die Psychopathen sind immer unter uns. In kühlen Zeiten begutachten wir sie – in heißen Zeiten regieren sie uns.”

Das notierte der deutsche Psychiater Ernst Kretschmer, während er den unaufhaltsamen Aufstieg Adolf Hitlers und seiner Nazi-Horden beobachtete. Seine scharfe und kritische Beobachtungsgabe hat ihn allerdings nicht davor bewahrt, mit Hitler mitzulaufen, der SS beizutreten (wie so viele Ärzte). Nach dem Krieg, 1955, behauptete er als Gutachter in einem Wiedergutmachungsverfahren eines an Depressionen leidenden Naziverfolgten, dass es keine verfolgungsbedingten Neurosen gebe. Hat auch einen irgendwie psychopathischen Touch, diese Psychiaterkarriere.

Quelle
Kretschmer, Ernst, zit.n. Arno Gruen: “Den destruktiven Realismus der Mächtigen abbauen”, in: Scheidt, Jürgen vom: Konzepte für die Zukunft. Bonn 1990, S. 101