Frühlingserwachen

Höchste Zeit, mal in die Lyrik-Kiste zu greifen. Diese Frühlings-Ballade habe ich 1985 in einem Seminar gereimt, am 24. März, also vor 38 Jahren. Deshalb stimmt das unten mit „Ostern“ nicht und auch mit „Sylt“ wird es wohl nichts mehr werden. Ich widme diese Zeilen Joachim Ringelnatz – wer seine wunderbaren Gedichte kennt, wird die Anspielungen verstehen. Aber man kann es auch ohne dieses Spezialwissen genießen:

Abb.: Kirschblüte in Japan (Photo by Yuri Yuhara on Pexels.com)

In Reime teils
– und teils auch nicht gesetzt.
Ich hoffe, wenn´s gelesen ist
Hat es euch sehr ergetzt:

Frühlingserwachen

I

Die Vögel klingen anders heute.
Ich zieh die dünneren Klamotten an.
Wie Ringelnatz werd´ ich Geruches Beute:
Denn Klo-Gestank kreuzt meine Bahn.

Die Eier werden williger –
– war so der Vers, den er sich machte?
vielleicht auch Mädchen billiger
Nein! Ganz verkehrt, wie ich schon dachte!

Die Eier werden billiger,
So muss es heißen, ganz genau,
Die Mädchen werden williger.
Will freudig ihren Willen preisen – und die „Frau“.

Goldregen knospt. Hellblau scheint Himmel
Durch Bäume, die kein Blattwerk ziert.
Vereinzelt hängt was Braunes noch (kein Pimmel!)
Vom letzten Jahr. Damit der Baum nicht friert?

Verbittert zwingt, mir tun die Ohren weh,
Den Willen auf dem Kind, das schreit,
Ein Muttertier, das heimwärts zieht
Und lauthals zetert: „Es ist Zeit!“

Wär schön, wenn die der Frühling packte
Und sie, anstatt so bös zu schrei’n,
Dem Kind vorsänge ein paar Takte
– das ging ihm sicher besser ein.

II

So wie jetzt Vögel Nester bauen,
So freu ich mich auf Ostern und auf Sylt.
Will frohgestimmt zum Sommer schauen
– weil dort nicht Arbeit, sondern Muse gilt.

Die Wege durch den Park sind frei von Schnee.
Bald schlendre ich durch leeren Straßen,
Sind kaum mehr nass, soweit ich seh´,
Wo letztes Jahr die Gäste saßen.

Beim Fotografen Hochzeitsbilder,
Sehr bunt und schön gestellt:
Ich hoff, die beiden war’n verliebt – und wilder –
Eh´ sie auf Dauer sich gesellt.

Die Sonne brennt auf meinen Rücken,
Schmelzwasser tropft mit hellem Ton
(Zu warm die Kleidung – welch Entzücken!)
Auf ein Laternenblech, und schon

Erklingen in mir Frühlingslieder.
Paar Schritte weiter ist’s ein Bach,
Und seltsam Regung schießt in Glieder.
Doch eiskalt noch rinnt es vom Dach.

Es riecht nach Essen jetzt – vielleicht
Gekocht mit Eiern billiger,
Weil’s zu was anderem nicht reicht
– von einem Mädchen, williger – ?

III

Doch möcht´ ich mich jetzt selber spüren.
Mein Körper ist noch tief im Schlaf
Des Winters – nur der Kopf ist wach
Und spielt mit Worten und mit Sprach:

S-e-h-n-s-u-c-h-t  n-a-c-h
T-a-u   W-e-t-t-e-r
S-e-h-n-e-n-d   s-u-c-h-t
F-r-a-u  R-e-t-t-e-r

Der Stift fällt aus den Fingern mir.
Fast schnappt ihn sich ein Hundetier,
Das Frauchen von der Leine rannte,
Als es ein Stückchen Freiheit spannte.

Die Zeit ist um, wie ich jetzt sehe
– sie ist so schnell dahingerast,
Dieweil ich in den Frühling gehe
– auf alles Mögliche gefasst.

Bald kommt der Sommer – Herbst –
Und wieder Schlaf.
Und Tod
– auch wenn er andre traf. Vielleicht.

Doch damit hab ich heut nicht Not.
Ich schaue nur, mit großen Augen,
Die heut zu nichts als Staunen taugen
Und die von Kirschblütpollen rot.

IV

Ein Pärchen geht vor mir. Ich staune:
Sein Finger dringt in ihre Finger ein;
In ihr, denk ich, wächst Frühlingslaune:
Bald wird sie schwanger, bald auch Mutter sein.

Und er ein Vater. Ja, so ging’s einst mir.
So fängt er an, der Ernst des Lebens.
Und wie erging’s in dieser Hinsicht dir?
Wer and’res sucht, der sucht vergebens!

Ich blick zurück, ganz lang:
Ein tiefer Atem weitet meine Brust.
Ein schönes Mädchen schaut mich an,
Ich spür etwas, es ist wie –

Zwei and’re Mädchen, auch hübsch anzuschauen,
Ich fühl mich wie beschwipst, bestusst,
Sie dreh´n den Kopf zu mir – ach diese Frauen!
Und was sich darauf reimt, ist „Lust“.

Ist Lust  –  wozu?
Das fragt mich nicht.
Lies einfach noch einmal
– dies mein Gedicht.

299 _ #1604 _ 30. April 2023 /13:46 (24. März 1985)

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