°Erster Kontakt (Story)

Tut mir leid – aber hier wird nur nur der Anfang der Geschichte preisgegeben – als Appetizer gewissermaßen. Die vollständige Version (die für einen Blog außerdem viel zu umfangreich ausfiele) finden Sie in der Anthologie Fantastische Wirklichkeiten, die Jörg Weigand mit 24 Kurzgeschichten aus Science-Fiction und Fantastik herausgegeben hat – mit 202 farbigen und zehn schwarz-weißen Bildern von Rainer Schorm., davon
Und hier der Anfang meiner Story:

Der Traum, mit dem er an diesem Morgen aufgewacht war, hatte ihn zunächst sehr bedrückt. Da war ein unangenehmes Gefühl, etwas Wichtiges nicht begreifen zu können und den Inhalt des Traums auch noch zu vergessen, als er daraus hochschreckte. Zugleich war da seltsamerweise ein Glücksgefühl in ihm gewesen, wie er es lange nicht mehr erfahren hatte. Was das Vergessen doppelt ärgerlich machte.
Aber während er versonnen die Zähne putzte, mit der elektrischen Bürste die Innenseite der oberen Schneidezähne reinigte, waren – plop – plop – plop – drei Szenen des Traums wieder in sein Bewusstsein gehüpft. Ja, der Traum hatte aus drei Teilen bestanden, die irgendwie miteinander zu tun hatten, aber er konnte sich keinen Reim darauf machen. Beim Frühstück hatte er sich rasch notiert, was er noch erinnerte:
Alles andere davor gab es nicht oder war endgültig dem Vergessen anheimgefallen. Doch dieser düstere Moment, als dieser Raumfahrer (was sonst sollte es sein – ein Tiefseetaucher?) auf ihn zutrat. Als er ihn hinter dem Visier seines Helms anstarrte, die Lippen bewegte, als wollte er ihm, Mischa Schröder, etwas mitteilen, etwas sehr Wichtiges – und weg war er, der Astronaut.
An seine Stelle trat diese grünlich schillernde Nixe, die von irgendwoher auftauchte, vielleicht sogar aus dem See, der im Hintergrund in anbrandenden Wellen changierte (war dort dieser Taucher oder Astronaut unterwegs?). Absurderweise hingen zwei Monde am Himmel, wie gewaltige Lampions. Die Wasserfrau ließ sich, nackt wie sie war, auf einem Felsen vor ihm nieder, räkelte sich lasziv lockend – aber in diese Tiefen wollte er ihr nicht folgen, da war ein sehr unangenehmes Gefühl von lauernder Gefahr –
Doch dann ein sanft aufsteigendes Glücksmoment, als von links diese Medusa heranschwebte, türkisfarben der Körper, fast durchsichtig und orangefarben mit rötlichen senkrechten Streifen oben – ihr Kopf? Fremdartig und doch auch irgendwie vertraut –
Wann hatte er so etwas schon einmal gesehen – in einem Aquarium im Zoo? Damals mit den Eltern in den Ferien am Meer, auf Sylt?
Es hatte etwas mit der Zahl 30 zu tun, aber was? Und warum? Er mochte die drei, sie war seine Lieblingszahl, hatte ihn sein ganzes Leben glückbringend begleitet – drei tolle Frauen hatte er geliebt, drei Arbeitsstellen voller inspirierender Herausforderungen hatte er gemeistert, die rundum okay waren, bis er sich endlich doch selbständig machte – da konnte die 30 doch nur Gutes bringen – 30 war er gewesen, als er Birgit kennengelernt hatte, was für ein Glück, längst zerronnen –
Seltsamer Traum. Jetzt, wo er von Hand mit blauer Tinte aufgeschrieben auf diesem nüchtern weißen DIN A4-Blatt vor ihm auf dem Küchentisch lag –
Als er, nun in ausgesprochen heiterer Stimmung, rein zufällig auf die Wanduhr schaute, wurde ihm bewusst, dass er in einer halben Stunde diesen Termin hatte, im Norden der Stadt, im neuen Hochhaus hinter dem Schwabinger Tor. Wenn er das Fahrrad nahm, konnte er das schaffen. Und er schaffte es, wenngleich vor Anstrengung keuchend.
Warum hatte er bloß auf diese Anzeige geantwortet: „Außerirdische suchen ersten Kontakt mit Erdenmenschen.“
Nun saß er schon seit mehr als einer Stunde in diesem nichtssagenden Raum und starrte auf die 143 Bilder, die nacheinander an die weiße glatte Wand projiziert wurden und von denen er eines aussuchen sollte. Das war die Aufgabe. Dachte er jedenfalls. Bis er sich endlich für Nummer 30 entschied. Er konnte nicht sagen, warum es ihm ausgerechnet dieses quallenähnlich durch eine fremde Welt schwebende Ding angetan hatte, dieses geheimnisvoll türkisblau leuchtente Wesen – und nicht die nackte Sirene, die da lockend am Wasser kauerte, mit zwei Monden am Himmel, sichtlich auf einer fremden Welt zuhause – oder diese Figur im Weltraumanzug, hinter dem Helmvisier nur zu ahnen, dass auch das eine Frau war, die ihn neugierig anschaute…

Diese Geschichte geht weiter ab S. 70 (und ihre Entstehung wird skizziert) in:

Scheidt, Jürgen vom: Erster Kontakt (Story). Enthalten in:
Weigand, Jörg (Hrsg.): Fantastische Wirklichkeiten. Die Bilderwelten des Rainer Schorm. Winnert Sep 2021 (Verlag p.machinery / Andro SF). 376 Seiten – mit 202 farbigen und 10 schwarz-weißen Bildern von Rainer Schorm. 37,90 €. ISBN 978 3 95765 250 8.

aut #1057 _ 2021-10-16/19:39

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