Das war zu erwarten: Dass sich die politischen Gegner an Annalena Baerbocks mangelnder Regierungserfahrung festbeißen würden. In einem großen Interview mit der Süddeutschen sagt Armin Laschet, der Kanzlerkandidat der CDU, in der Mitte des Gesprächs zwar staatsmännisch großzügig: „Ich kämpfe für meine Ideen, meine Ziele – und rede nicht über andere.“ Aber gleich zu Beginn kann er sich nicht verkneifen, kühn sich selbst als regierungserprobten Alphamann von der grünen Konkurrentin (ja, das ist sie ab jetzt) abzuheben und mit einem ordentlich aggressiven Schlag unter die Gürtellinie zu behaupten: „Sie redet, ich handle.“
Diesen Heuler verzeichne ich gerne in meiner Rubrik Dummes Gerede von klugen Leuten – denn nichts anderes ist diese Behauptung. Klar, Laschet kann mit solcher „Regierungserfahrung“ punkten. Aber weder Barack Obama noch sein Nachfolger hatten solche Expertise aufzuweisen, waren weder Berater einer vorangehenden Regierung noch Minister noch Gouverneur gewesen. Obama kam immerhin seine Zeit als Senator zupass – dem „anderen“ nicht einmal das, der war öffentlich nur als Showmaster im Fernsehen sichtbar gewesen und als dubioser Geschäftsmann. Und doch wurden beide ins bisher höchste und mächtigste Amt auf diesem Planeten gewählt.
Okay, bei Trump trifft Laschets Abgrenzung in einem gewissen Sinn zu – der war wirklich unfähig, klug zu handeln, konnte nur unaufhörlich auf Twitter „reden“ – und wenn er gehandelt hat – naja, das hätte Laschet sicher vermutlich gemacht. Aber Obama hat einen recht guten Job absolviert – wenn man bedenkt, welche dicken Knüppel und wie viele davon ihm die Republikaner in den Weg geworfen haben.
Frau Baerbock hat immerhin eine inzwischen recht große und bedeutende Partei in ihr Allzeithoch geführt und gerade im Zusammenspiel mit ihrem innerparteilichen Konkurrenten und Kollegen Habeck bewiesen, dass sie sehr wohl politisch handeln kann und weiß, wie man das macht, ohne dem Konkurrenten an die Gugel zu gehen – was für mich eine sehr gute Demonstration politischen Handelns ist.
Was Laschet wohl gesagt hätte, wenn Robert Habeck der Kanzlerkandidat der Grünen geworden wäre? Und was die Zukunft angeht: Gewählt ist er ja noch nicht, als Kanzler; da wird er vielleicht noch sein weißblau-bayerisches Wunder erleben.
Quelle
Laschet, Armin (interviewt von Kornelius, Stefan und Robert Rossmann und Christian Wernicke): „Ich will keine One-Man-Show“. in: Südd. Zeitung Nr. 95 vom 26. Apr 2021, S. 02 (Thema des Tages).
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