Der Duft des Jasmin

Im ersten Teil dieses Beitrags hatte ich aus meiner Zeit 1969 als Lektor im Verlag der Nymphenburger Verlagshandlung einen interessanten Merksatz des Verlegers Bertold Spangenberg erwähnt: Bücher sind durch Druck entwertetes Papier. Nun ist es angebracht, auch das dort angedeutete zweite Diktum des Verlegers zum Besten zu geben. Er äußerte diesen Satz, ich werde es nie vergessen, bei unserem ersten Gespräch nach meiner Bewerbung in der alten Villa an der Hubertusstraße, nahe dem Schloss Nymphenburg*. Da saß hinter dem Schreibtisch mit den vielen Projekt-Mäppchen für einen Moment nicht der Verleger, sondern der Chemiker Spangenberg:

„Wussten Sie, dass der Duft des Jasmin dieselbe chemische Zusammensetzung hat wie die menschlichen Fäkalien?“

Draußen vor dem Arbeitszimmer blühte diese wunderschöne Pflanze gerade und kündigte den Frühling an. Ich dachte (psychoanalytisch geschult, wie ich war): Aha, ein Mann mit analem Charakter. Und ja, er war ein wenig zwanghaft mit seinen vielen Mäppchen, was Sigmund Freud sicher dem „analen Charakter“ zugeordnet hätte.
Doch wir kamen gut mit einander aus in diesem Jahr und sind uns später immer wieder begegnet – bei gemeinsamen Buch-Projekten für den Verlag, meinerseits nun als freier Mitarbeiter – und bei Sitzungen des Verwaltungsrats der VG Wort (für die wir beide ehrenamtlich tätig waren) – ich als einer der Autoren und er als einer der Verleger.
(Und wenn ich mich heute in meinem Arbeitszimmer so umschaue und all die vielen Hängemappen sehe, die da herumliegen, muss ich schmunzeln, ziehe respektvoll meinen Hut, denke an Berthold Spangenberg und bin mir dessen bewusst: ohne einen Schuss „analen Zwangs-Charakter“ kann man gar keine Bücher machen – weder als Autor noch als Verleger. Und der Duft von Jasmin ist einfach betörend, gleich wie er biochemisch entsteht.)

Abb: Die weiße Farbe des Jasmin und das klare sternförmige Aussehen fallen sofort ins Auge – und dazu dieser Duft! (Photo by Ricardo Ortiz on Pexels.com)

Und was meinen damaligen Ko-Autor und Psychologen-Kollegen Wolfgang Schmidbauer angeht, just noch so ein Zufall: In der gestrigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung stand ein Interview mit ihm über die psychischen Folgen der Corona-Pandemie.
„Passt scho“, kann man da nur bayrisch anmerken.

(Manchmal findet sich für so einen Zufall allerdings eine einfache Erklärung – wie für diesen hier eben.)

* – na ja – es sind schon einige Kilometer Luftlinie bis zum Schloss – aber der Verlagsname stellte diesen Zusammenhang sehr bewusst her.

aut #1079 _ 2021-07-02 / 13:09

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