Rehau am Fichtelgebirge: Eine meiner Heimaten

Es geht hier – unter anderem – um meinen Heimatort am Rande des Fichtelgebirges. Dessen „Heimatlied“ beginnt genau so: „Rehau, mein Rehau, an der Grenze gegen Osten -„

Dreimal Heimat

Aber zunächst möchte ich etwas klarstellen, was Heimat betrifft: Man sagt ja, dass die Heimat jener mythische Ort ist, in dem man aufgewachsen ist, dessen Sprache resp. Dialekt man „mit der Muttermilch eingesaugt“ hat und wo man sich gefühlsmäßig zuhause fühlt. Aber was heißt das im Detail?

Leipzig als Geburtsort
Leipzig würde ich, obwohl dort 1940 geboren, nicht als „Heimat“ bezeichnen. Von hier rühren zwar meine allerersten Kindheitserinnerungen aus den Jahren 1942/43 (Besuch im Leipziger Zoo mit Eisbären, die Haltestelle der Straßenbahn vor dem Wangerooger Weg mit der Kaserne gegenüber, dazu vage Erinnerungen an die Gaststätten des Hauptbahnhofs, deren Pächter erst mein Großonkel Erich Naumann war, dann dessen Sohn Joachim, der zu einem meiner beiden Patenonkel wurde). Aber „Heimat ist das für mich nicht.
Doch über Leipzig an anderer Stelle mehr.

Abb. 1: Ein wenig kitschig: der Brunnen am Maxplatz in Rehau bei nächtlicher Beleuchtung – vor dem alten Rathaus , das nun Stadtmuseum ist. (Titelbild des genannten Buches „Rehau: 200 Jahre Modellstadt Bayerns“).

Heimat 1: Rehau in Oberfranken
Ich wurde zwar 1940 in Leipzig geboren; aber meine Mutter zog, sobald Ende 1942 die Bombardierungen der Stadt begannen, zurück in ihre Heimatstadt Rehau, wo ihre Eltern, also meine Großeltern lebten (mein Vater war von Adolf Hitler und seiner Nazi-Mörderbande in diesen tollen Welteroberungs-Krieg geschickt worden und befand sich damals gerade in Holland oder auch schon auf Kreta). Von Ende 1942 bis März 1956 war Rehau jedenfalls die Kleinstadt,
° in der ich aufwuchs,
° deren oberfränkischen Dialekt ich parallel zum zuhause gesprochenen Hochdeutsch aufnahm,
° wo ich zur Schule ging,
° wo die wichtigsten Verwandten lebten
° und die ersten Verliebtheiten geschahen.
All dies zusammen genommen, war dies meine erste Heimat und bleibt dies auch in den Erinnerungen. Allerdings hat der Ort sich inzwischen so sehr verändert (das damalige Wohnhaus und den Garten eingeschlossen), dass mich dort fast nichts mehr hinzieht.

Abb. 2: Das Ehrengrab eines meiner beiden Rehauer Urgroßväter: Stadtrat und Bauunternehmer Eduard Kropf. Der andere Vorfahre war der Viehhändler Adam Hertel. (Foto Jan 2024: Oliver Groll, Stadtarchiv Rehau)

Heimat 2: München
Meine aktuelle Noch-immer-Heimat ist im Frühjahr 1956 München geworden. Da zog es mich als Jugendlichen hin. Dort wurde den kleinstädtischen Prägungen aus Rehau (welche fraglos die wichtigsten sind) all jene Erfahrungen hinzugefügt, die mein Leben als Erwachsener bestimmten und heute noch bestimmen. München ist fraglos heute meine Heimat – meine zweite Heimat gewissermaßen.
Es gibt eine interessante geistige Brücke, welche diese beiden Heimaten verbindet und die seit 1948 so etwas wie eine geistige Heimat geworden ist: Die Science Fiction. In Rehau lernte ich sie kennen, trat dort (1955) dem „Science Fiction Club Deutschland (SFCD)“ bei, lernte andere Fans kennen. Das ging in München nahtlos weiter: Der erste neue Freund in der bayrischen Großstadt außerhalb der Schule war einer der beiden Gründer der Akademie U5, einer renommierten Privatschule für Grafikdesign, wo ich lange dank dieser Freundschaft meine Schreib-Seminare durchführen konnte (inzwischen, 2024, gibt es die U5 nicht mehr).

Abb. 3: Mein Lieblingsplatz in München: Das Stauwehr am Eisbach hinter dem Haus der Kunst (Foto: JvS)

Heimat 3: Bürchen im Wallis
Durch meine zweite Frau Ruth lernte ich ab 1978 mit dem Hochgebirge des Wallis eine völlig neue Heimat kennen, mit allem, was dazugehört: der lokale Schweizer Dialekt (Walliser Dütsch), eine unglaublich intensive Landschaft mit den vielen Viertausendern, viele neue Menschen eines sehr sympathischen Schlags. In dieser Dritten Heimat konnte ich im September 2002, mit der Unterstützung vieler Bewohner des Dorfes Bürchen, auf einer wunderbaren schrägen Bergwiese ein richtiges kretisches Labyrinth auslegen, das man begehen kann. (Diese Anlage wurde 2007 leider wieder entfernt.)

Abb. 4: Einweihung und erste Begehung des Birkenlabyrinths von Bürchen (rechts vorne der Lehrer Widmer, mit dessen Dorfschulklasse ich das Labyrinth mit an die tausend (!) Steinen auslegte. (Foto: JvS)

Erloschene Feuer und unsinkbare sowie andere Katzen

Doch nun zum anderen Thema dieses Beitrags, zu dem es allerdings starke Verbindungen gibt. Der Autor der beiden Bücher, die ich hier vorstellen möchte, Gerald Sammet, stammte aus Rehau. Ich habe ihn dort nie getroffen, lernte ihn aber in München durch seinen Namensvetter Dietmar kennen, mit dem ich schon in der ersten Volksschulklasse in Rehau die gleiche Bank drückte und mit dem ich bis zu seinem Tod 2020 das pflegte, was man als Freundschaft treffend bezeichnet. Wir trafen uns, als er nach München zog, einmal im Monat zum Essen, redeten über die „alten Zeiten“ in Rehau und hatten zum Glück auch das Interesse an vielen aktuellen Themen.
Über die alten „Rehauer Zeiten“ wusste eine Menge auch Gerald Sammet zu berichten (2023 leider auch verstorben), der ebenfalls in Rehau aufgewachsen war, der wie Dietmar und ich als Fahrschüler in Selb in die Oberrealschule (heute Gymnasium) ging und danach in Bremen lebte. Erloschene Feuer. Industrie & Glück nannte Gerald Sammet seine Dokumentation der Industrialisierung und ihres allmählichem Wiederverschwindens in meiner früheren Heimat Oberfranken. Das mag sich als Empfehlung für Weihnachten 2013 (für die ich diesen Text ursprünglich in meinem – nicht mehr existierenden – Labyrinth-Blog verfasst hatte) inzwischen etwas seltsam ausnehmen – aber zum einen ist Gerald Sammets Dokumentation sehr gut geschrieben und zudem ebenso informativ wie unterhaltsam. Und es soll ja auch Oberfranken geben, die Sachbücher lesen – vielleicht sogar unter den Besuchern dieses meines Blogs? Für mich war es jedenfalls wie ein Trip zurück in die Kindheit und Jugend. Gerald Sammet stammte ja aus dem selben Ort Rehau wie ich, und dieses Rehau kommt recht umfangreich im Buch vor – mit vielen Schauplätzen, die ich als Kind selbst frequentiert habe.
Wer es mit der Industrialisierung und ihrer allmählichen Veränderung einer ganzen Landschaft nicht so hat, wird prächtig unterhalten in einem Buch vom selben Autor mit einem völlig anderen Sujet: Dem Leben von neun ausgewählten Katzen. Großartig beobachtet und erzählt, dieser „Unsinkbare Kater“ und seinesgleichen! Ein köstlicher Lesegenuss nicht nur für Katzen-Fans.
Sehr schön der autobiographische Einstieg des Autors (und zugleich etwas Labyrinthisches, was ich ja auch sehr schätze):
„Irgendwann schaut der Frühling auch dort oben wieder vorbei. Meistens ist es dann schon April, oder man hat sogar bis in den Mai hinein warten müssen. Man läuft dann entweder vom Waldsteinhaus zum Roten Schloss hinüber, einem Steinwirrwarr, der das Terrain ziemlich lädiert überragt, und steigt, auf dem von dort ausgehenden Saumpfad, der vor einer Stiege endet, hinauf bis zum Gipfel, mit obenauf einer Art Belvedere auf eine dieser für das Fichtelgebirge so typischen, einen labyrinthischen Felssturz abschließenden Turm“ (S.17)

Quellen
Ludwig, Karl H.C. et al: Rehau: Raum für Visionen. Berlin 2022 (ff publishers)
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Sammet, Gerald: Erloschene Feuer. Industrie & Glück. Schwarzenbach/Saale 2012. (Transit Verlag).
ders.: Der unsinkbare Kater. Neun Katzenleben. Schwarzenbach/Saale (Transit Verlag).

Auch sehr lesenswert und informativ: .
Stadt Rehau (Hrsg.), Feldrapp, Reinhard (Fotos),Kugler, Martin und Reinhard : Rehau: Modellstadt Bayerns.

Schauen Sie bitte gelegentlich auch mal in die früheren Beiträge dieses Blogs rein! Mehr zu Rehau gibt es unter:
Asterix auf Oberfrängisch: Dunnergeil!
Kriegserlebnisse eines Fünfjährigen
und vieles mehr – in der Kategorienwolke über das Stichwort „Rehau“ zu finden.

Post 319 _ aut #2115 _ Aktualisierung: 07. März 2024 /(23. Jan 2024/20:20 – SciLogs: Labyrinth-Blog 2013-05-24)

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