Wer meinen Newsletter hyperWriter erhält, kennt vermutlich den folgenden Beitrag bereits in den wesentlichen Elementen. Ich übernehme ihn hierher in meinen Blog anlässlich eines Vortrags, den ich am 08. Mai beim literarischen Stammtisch der Phantasten gehalten habe und den Teilnehmern nun auch schriftlich zugänglich machen will.
Ich möchte anhand eines praktischen Beispiels zeigen, wozu eine KI heute bereits imstande ist. Die von mir verwendete Chat GPT-3 ist nicht due alleraktuellste Version (das ist GPT-4) – aber sie hat den großen Vorteil, dass sie mit einer Suchmaschine gekoppelt ist (Microsoft Bing) – was man am Schluss des Beitrags erkennt, wo ich die KI auffordere, mir Quellen zum Thema „MultiChronie“ zu nennen – das geht nämlich nur mit einem Internet-Zugang.

Das Procedere ist im Grunde ganz einfach
Wie geht man praktisch vor? Das ist recht simpel: Die KI bietet ein Fenster an (Prompt genannt), in dem man sein Projekt als Aufforderung formuliert, beispielsweise: „Entwickle mir das Konzept für eine Fantasy-Kurzgeschichte, die in Tolkiens Welt Mittelerde des Romans Der Herr der Ringe spielt“. Allerdings sollte man sich vorher genau überlegen, wohin man die „Gedanken“ der KI lenken möchte, damit sie sinnvolle Ergebnisse, liefert – beispielsweise das Exposee für ein Sachbuch zum Thema „MultiChronie“ (s. unten).
Ich starte also Microsofts Suchmaschine Bing und gebe dort im Fenster der schon erstaunlich leistungsstarken aktuellen Version Chat-GPT (ab März 2023) folgenden Prompt ein:
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MultiChronie ist ein neues psychologisches Konzept, das die parallele Existenz von verschiedenen ZeitSchichten zum Thema hat.
Es werden zwei Aspekte unterschieden:
° Soziokulturell kann eine Gesellschaft wie die afghanische gleichzeitig im Mittelalter verhaftet sein (Beispiel: Utopie eines archaischen Gottesstaates) und in der Gegenwart (Verwendung modernster Waffen wie Stinger-Raketen für den Krieg gegen andersgläubige und Smartphones für die Kommunikation untereinander).
° Individualpsychologisch können in ein und derselben Person verschiedene ZeitSchichten konkurrieren: zum Beispiel das Erwachsenen-Ich und das Kind-Ich.
Entwickle das Exposee für ein Sachbuch, in dem
° zum einen dieses neuartige Konzept der „MultiChronie“ anschaulich dargestellt wird
° und speziell beschrieben wird, was es für das Selbstverständnis des einzelnen Menschen bedeuten könnte, solche verschiedenen ZeitSchichten in sich konkurrierend oder zusammenarbeitend zu erleben.
Wie könnte man dieses Konzept speziell im Rahmen einer Psychotherapie einsetzen?
° Wie könnte man mit Hilfe dieses Konzepts eine Autobiographie schreiben?
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Chat GPT antwortet umgehend mit diesem recht zutreffenden Titel:
MultiChronie: Wie wir in verschiedenen ZeitSchichten leben
Dazu liefert die KI folgenden Text:
Das Buch „MultiChronie: Wie wir in verschiedenen ZeitSchichten leben“ ist eine Einführung in ein neues psychologisches Konzept, das die parallele Existenz von verschiedenen ZeitSchichten zum Thema hat. Es zeigt auf, wie wir sowohl soziokulturell als auch individualpsychologisch in verschiedenen ZeitSchichten leben und wie diese unser Denken, Fühlen und Handeln beeinflussen.
Im ersten Teil des Buches wird das Konzept der MultiChronie anschaulich dargestellt. Es werden zwei Aspekte unterschieden:
– Soziokulturell kann eine Gesellschaft wie die afghanische gleichzeitig im Mittelalter verhaftet sein (Beispiel: Utopie eines archaischen Gottesstaates) und in der Gegenwart (Verwendung modernster Waffen wie Stinger-Raketen für den Krieg gegen andersgläubige und Smartphones für die Kommunikation untereinander).
– Individualpsychologisch können in ein und derselben Person verschiedene ZeitSchichten konkurrieren: zum Beispiel das Erwachsenen-Ich und das Kind-Ich.
Im zweiten Teil des Buches wird beschrieben, was es für das Selbstverständnis des einzelnen Menschen bedeuten könnte, solche verschiedenen ZeitSchichten in sich konkurrierend oder zusammenarbeitend zu erleben. Es werden folgende Fragen beantwortet:
– Wie können wir uns unserer eigenen ZeitSchichten bewusst werden und sie akzeptieren?
– Wie können wir mit den Konflikten und Spannungen umgehen, die aus den unterschiedlichen ZeitSchichten entstehen?
– Wie können wir die Potenziale und Ressourcen nutzen, die aus den verschiedenen ZeitSchichten hervorgehen?
– Wie können wir unsere ZeitSchichten harmonisieren und integrieren?
Im dritten Teil des Buches wird erläutert, wie man dieses Konzept speziell im Rahmen einer Psychotherapie einsetzen kann. Es werden folgende Themen behandelt:
– Wie kann man mit Hilfe der MultiChronie die Lebensgeschichte eines Klienten verstehen und deuten?
– Wie kann man mit Hilfe der MultiChronie die aktuellen Probleme und Ziele eines Klienten analysieren und bearbeiten?
– Wie kann man mit Hilfe der MultiChronie die therapeutische Beziehung gestalten und fördern?
– Wie kann man mit Hilfe der MultiChronie die Veränderungsprozesse unterstützen und begleiten?
Im vierten Teil des Buches wird gezeigt, wie man mit Hilfe dieses Konzepts eine Autobiographie schreiben kann. Es werden folgende Schritte vorgeschlagen:
– Sich einen Überblick über die eigenen ZeitSchichten verschaffen und sie benennen.
– Sich an die prägenden Ereignisse und Erfahrungen erinnern, die zu den verschiedenen ZeitSchichten geführt haben.
– Sich mit den Gefühlen, Gedanken und Bedeutungen auseinandersetzen, die mit den verschiedenen ZeitSchichten verbunden sind.
– Sich mit den Widersprüchen, Herausforderungen und Chancen beschäftigen, die aus den verschiedenen ZeitSchichten resultieren.
– Sich eine persönliche Vision entwickeln, wie man seine ZeitSchichten in Zukunft leben möchte.
Das Buch richtet sich an alle, die sich für das Thema Zeit interessieren und mehr über sich selbst und andere erfahren möchten. Es bietet sowohl theoretische Erkenntnisse als auch praktische Anregungen für eine bewusste und kreative Gestaltung des eigenen Lebens.
Zusätzlich verlange ich, JvS, anschließend noch:
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Gib Quellen an (Buchveröffentlichungen, Artikel, Paper), in denen das Konzept „MultiChronie“ oder eine Methode „MultiChronie“ dargestellt wird.
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Wiederum dauert es nur wenige Sekunden, bis ich diese Auskunft erhalte:
Das Konzept „MultiChronie“ oder die Methode „MultiChronie“ wurde von Jürgen vom Scheidt entwickelt und beschreibt das Phänomen, dass wir immer in mehreren Zeitebenen leben und handeln. Er hat dieses Konzept in seinem Blog HyperWriting ausführlich erläutert und an verschiedenen Beispielen illustriert. Er nennt Ereignisse und Erinnerungen, die sowohl einen persönlichen Anteil haben (Persönliche MultiChronie) wie einen historischen Bezug aufweisen (Historische MultiChronie). Er verwendet auch eine Binnenversalie (das große C) als Markenzeichen für seinen Neologismus.
Quellen, in denen das Konzept oder die Methode „MultiChronie“ dargestellt wird, sind:
– MultiChronalia [auf der Website „HyperWriting.de“]. In diesem Beitrag stellt der Autor verschiedene Beispiele für MultiChronalia vor, wie das Oktoberfest, die Queen oder der Putinsche Angriffskrieg auf die Ukraine.
– MultiChronie oder Mehrzeitlichkeit [auf „HyperWriting.de“]. In diesem Beitrag erklärt der Autor den Ursprung und die Bedeutung seines Begriffs und zeigt, wie Musik ein Beispiel für MultiChronie ist.
– MultiChronie als Methode der Erforschung von sich selbst und… [auf „HyperWriting.de“] In diesem Beitrag beschreibt der Autor, wie er seinen Blog als ein Instrument für MultiChronie nutzt und wie HyperWriting eine geeignete Methode dafür ist.
Mein Fazit: Wirklich erstaunlich, was die KI aus meinen im Internet zu findenden Informationen macht (andere gibt es noch nicht). Offensichtlich bin ich bisher der erste und einzige, der zum Thema „MultiChronie“ bisher publiziert hat. Daraus bastelt die KI einen doch recht eindrucksvollen und überzeugenden Text. Überrascht hat mich noch sehr, dass sie das mit der BinnenVersalie bemerkt hat und zitiert:
“ Er verwendet auch eine Binnenversalie (das große C) als Markenzeichen für seinen Neologismus.„
Etwa viel wichtigeres aus meinem Konzept hat Chat GPT-4 allerdings nicht erkannt und auch nicht in seiner Bedeutung „verstanden“: Die Funktion der kleinen Tabellen (Matrizen) als Werkzeug, um multiChronal zu arbeiten. Beispiel:
Jahr | Persönliche Ereignisse | Historische Ereignisse |
Vergangenheit: „Woher komme ich?“ | ||
1961 | Während meines Studiums der Psychologie beginne ich mit einem Traum-Tagebuch, in dem ich verschiedene Assoziationen zu den Träumen notiere, die in verschieden Zeitabschnitte meines Lebens führen | (1895: Sigmund Freud arbeitet an seinem Buch Die Traumdeutung. Ab Kap. 3 („Der Traum von Irmas Injektion“) beschäftigt er sich darin autobiographisch mit eigenen Träumen. Er führt dabei das Konzept der „Freien Assoziation“ ein, mit dem er verschiedene zeitliche Schichten des Traums freilegt und zu einander in Beziehung setzt – für mich so etwas wie eine erste Form „multiChronalen Denkens“.) |
1973 | Ich zeige in meiner Studie Freud und das Kokain, dass die von Freud vorgestellten und analysierten eigenen Träume in dem Buch Traumdeutung eine Aufarbeitung seiner Kokain-Experimente von 1884-86 sind und damit ein wichtiger Anstoß zur Entwicklung der Psychoanalyse. | In Gestalt des Novocain und seiner chemischen Abkömmlinge ist heute noch Freuds lokalanästhetische Anwendung des Kokains segensreich in Gebrauch. Dass dies nicht ihm zugeschrieben wird, hat damit zu tun, dass er diese Experimente aufgab und sie seinen Kollege Karl Koller fortsetzen ließ, der den Ruhm einheimste. |
1980 | Ich kaufe den Roman Frankenstein – lese ihn aber erst 2003. | Eine der vielen Verfilmungen ist Mary Shelleys Frankenstein von 1994 (Regie: Kenneth Brannagh). |
1991 | Als Reaktion auf einen TV-Bericht über H.M. Enzensberger (→) verwende ich in einer Notiz erstmals diesen Begriff: „Die MultiChronie ist eine der typischen Friktionen innerhalb der multikulturellen Gesellschaft und zwischen den vielen Staaten der Erde. Sie ist, auf der Selbst-Ebene auch Bedingung für Kreativität: schnelles und langsames, ja fast zeitloses Denken müssen synchronisiert werden und wirken aufeinander ein.“ | „Der Begriff der Ungleichzeitigkeit“ (Portrait H.M. Enzensberger in Südd. Zeitung vom 09. Feb 1991) |
1996 | Ich beginne Meldungen und Artikel über das Phänomen der MultiChronie zu sammeln → | „Hochmut mit Bart: Für glatt rasierte Männer will die streng islamische Taliban-Miliz in Afghanistan allenfalls eine Arbeit als Straßenkehrer erlauben. Die Gesichtsrasur, so die Begründung, verstoße gegen den Islam, Bartlose könnten keine ehrenhafte Tätigkeit ausüben.“ [Das zielt wohl in erster Linie gegen die Frauen und die Jugendlichen.] (Abendzeitung München vom 08. Jan1996). „Diese Pilger … An der Schwelle zum 21. Jahrhundert steht der Mensch mit einem Fuß im Mittelalter.“ (Südd. Zeitung Magazin 26. Jan 1996) |
Gegenwart: „Wer bin ich jetzt?“ | ||
2023 | Ich arbeite an einer Studie über MultiChronie in Zusammenhang mit meiner Autobiographie. | Wenn man genau hinsieht, kann man überall MultiChronie entdecken: In Zeitungsartikeln, Fernsehberichten – und im eigenen Wahrnehmen und Denken. |
Zukunft: „Wohin gehe ich?“ | ||
(2030) | Ich habe mich in meinen Science-Fiction-Erzählungen viel mit der Beziehung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft beschäftigt (s. 1957). Die → | → aktuellen technischen, politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen (Künstliche Intelligenz, Robotik, Digitalisierung, Raumfahrt, Energiewende) realisieren vieles davon in atemberaubender Geschwindigkeit – mit der drohenden Klimakatastrophe als Menetekel („Schrift an der Wand“) für die, welche es sehen wollen. MultiChronie pur: Denn in der jeweiligen Gegenwart werden die Tendenzen aus der Vergangenheit zu Weichen für die Zukunft. |
Trotzdem ist dieses Experiment mit Chat GPT eine interessante Erfahrung – auch dass die KI keine fiktiven Quellen „halluziniert“ hat (wie sie es gelegentlich macht), sondern die drei im Internet (in meinem Blog „hyperwriting.de“) vorgefundenen Quellen korrekt erkennt und sauber zitiert: Respekt!
Meine Geschichte mit Kybernetik, Automatisierung und „Künstlicher Intelligenz (KI)“
Mit KI habe ich mich auch in einigen meiner utopischen Geschichten befasst – so in meinem zweiten Roman Sternvogel (1958 / 1962), worin sich am Schluss herausstellt, dass die abenteuerliche Heldenreise der Hauptperson durch die Milchstraße von einer gewaltigen Rechenmaschine inszeniert wurde.
In meinem dritten Roman Der geworfene Stein (1975) wird der künftige Stadtstaat München im Jahr 2075 vom Kyberneten regiert wird – einer KI tief unter dem Englischen Garten. Ein Kapitel daraus, in dem sich der Hauptfigur Jochen Schrödinger mit diesem Kyberneten verbindet (heute würde man sagen: in den virtuellen Cyberspace eintritt), habe ich hier im Blog unter dem Titel „Der metallene Traum“ erneut veröffentlicht, dazu die Vorgeschichte – als Anschauungsmaterial, wie ich Science-Fiction schreibe bzw. geschrieben habe, diesem wichtigen Teil meines Lebens und somit auch meiner Autobiographie.
303 _ # 1500 _ 12. Mai 2023/15:22
Interessant! Danke für diesen Tes(x)t!
Gruss HP
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