Söder wildert auf dem Balkan

(Vorab: Die beiden Bilder, welche diesen Beitrag illustrieren, sind nur prototypisch gemeint, weil sich die Gebäude in meiner näheren Umgebung befinden – nicht, weil speziell dort Mangel herrscht.)

100 Milliarden € für die Bundeswehr 2.0 – das wurde 2022 rasch beschlossen, als der Krieg Putins gegen die Ukraine die Länder des Westens und dort ganz speziell das seit Gorbatschow aus gutem Grund sehr russlandfreundliche Deutschland aufschreckte.
Als ich meine Seminare noch im Combinat 56 abhielt, geschah dies in einem Gebäude, wo vorher seit Jahrhunderten Kasernen standen. Einer der männlichen Teilnehmer erzählte mal, er habe „hier auf dem Exerzierplatz noch im Dreck gerobbt“, als er bei der Bundeswehr seinen Grundwehrdienst absolvierte.
Tempi passati – unzählige Kasernen und Exerzierplätze wurden seit 1990 und der friedlichen Wiedervereinigung in zivile Gebäude und Plätze verwandelt – Friedensdividende nannte und nennt man das zu Recht.

Abb. 1: Alten- und Pflegeheim „Damenstift“ am Scheidtplatz in München (Archiv: JvS)

Aber warum hat man nicht aus dieser „Friedendividende“ jedes Jahr ein paar Milliarden € für den Ausbau unseres Bildungssystems und des ebenso notleidenden Pflegesystems umgewidmet?

Jeweils 100 Milliarden €uro für Bildung und für Pflege – das wäre längst nötig. Denn geht es nicht auch da um so etwas wie die „innere Sicherheit“ unseres Landes?
Lehrermangel heißt es seit Jahrzehnten (!). Dabei können die zuständigen Referenten in den Kultusministerien ganz bestimmt gut rechnen und wissen, wie viele Kinder demnächst eingeschult werden und wie viele Lehrer und Lehrerinnen man deshalb benötigt. Ich nehme auch an, dass die für den Schul-Etat zuständigen Politiker um diese Zahlen wissen – aber sie schieben das reichlich vorhandene Steuergeld lieber woanders hin. Was ihnen umso leichter fällt, weil sie wissen, dass finanziell gut gestellte Familien (auch unter den Politikern selbst?) ihre Kindern eben auf teure Privatschulen schicken, wenn die staatlichen und kommunalen Schulen nichts taugen. Das war schon immer so.
Genauso ist es mit den Pflegeeinrichtungen. Es gibt immens teure Senioren-Edel-Residenzen wie das Tertianum und das Augustinum in München und andernorts, wo man locker an die 10.000 € im Monat bezahlt und es ganz sicher keinen Mangel an – auch gut bezahlten – Pflegekräften gibt. Oder man leistet sich privat gute Pflegekräfte. Gerade erbärmlich geht es andernorts zu, wo man Pflegekräfte wirklich mies bezahlt und ausbeutet – und sich dann wundert, wenn sie abwandern. Und das ist nicht erst seit dem zusätzlichen Stress durch die Corona-Pandemie so.

Die Zwei-Klassen-Gesellschaft und ihre Nutznießer

Jetzt muss auf Putins Angriffskrieg geantwortet werden, da kommen wir an Aufrüstung und Modernisierung der Bundeswehr nicht vorbei. Und woher das Geld „nehmen wenn nicht stehlen“? Man wird es noch mehr bei Bildung und Pflege abzwacken. Und man geht in Billiglohnländer und wirbt dort das begehrte Personal ab. Unsere Politiker wildern lieber in fremden Gebieten als dass sie im eigenen Land flächendeckend für gute Arbeitsbedingungen sorgen .

Es gibt bei schon immer eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, das ist kein Geheimnis. „Weil du arm bist, musst du früher sterben“ – so prangerte ein Skandal-Film schon 1956 die Situation der Kassenpatienten an, die sich weder Chefarzt-Visiten noch komfortable Einbett-Zimmer leisten konnten (für welche die Privatkassen zahlen – gegen höhere Prämien, versteht sich – die man sich eben gönnen können muss).

Genau wie der Lehrermangel ist der Mangel an Pflegekräften nichts, was unverhofft wie die Corona-Pandemie über die Menschheit resp. Deutschland resp. Bayern hereingebrochen ist. Und nun gehen unsere Politiker auf „Abwerbetour“ in die Billiglohnländer der Nachbarschaft, um dort Personal einzuwerben – nein: abzuwerben. Wie aktuell Bayerns Markus Söder in Albanien und Rumänien.
Das muss man sich mal klar machen: Diese armen Länder haben Fachkräfte mit ihren Steuergeldern ausgebildet – und dann kommt der Herr Ministerpräsident und wirbt sie nach Bayern ab. So einfach ist das.

Viele Jahre hat man bei uns das Geld für alles nur Erdenkbare ausgeben (immer breitere Autobahnen zum Beispiel) – nur nicht für eine anständige Bezahlung von Pflegekräften. Und jetzt geht man in diese eh schon schlecht versorgten und ausgestatteten Nachbarländer und lockt deren dort ja ebenfalls dringend benötigtes (und mit viel Geld ausgebildetes) Fachpersonal ins reiche Deutschland ab.

Mehr ist dazu nicht zu sagen. Außer vielleicht dies: Schämt euch, ihr Politiker!

Abb. 2 Grundschule in Bayern (München, Dachauerstraße) (Archiv JvS)

Quelle
Gerl, Maximilian et al: „Söders Abwerbetour auf dem Balkan. In: SZ Nr. 37 vom 14. Feb 2023, S. R07 (Bayern-Teil).
May, Paul (Regie), Ernst von Salomo und Kurt Wilhelm (Drehbuch). Deutschland 1956. (Nach einem 1955 veröffentlichten Illustriertenroman von Hans Gustl.)

294 _ #1502 _ 25. Feb 2023/18:56

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