Respekt vor dem „Schwarm“

Der Verriss von Gerhard Matzig in der Süddeutschen Zeitung war heftig, ja geradezu bösartig – schon im billigen bayrischen Wortspiel mit dem Titel: „Der Schmarrn“. An der Serie gibt es gewiss mancherlei auszusetzen – aber sie verdient auch Lob und vor allem: Respekt. Das mit dem „Respekt“ ist im doppelten Wortsinn gemeint:
° Respekt vor dieser achtteiligen TV-Serie, die eine sehr schwierige Gratwanderung zwischen Werktreue (zum Roman) und heutigen Fernseh-Gewohnheiten recht passabel bewältigt,
° und vor dem, was Der Schwarm im Roman-Original von Frank Schätzing verkörpert – nämlich eine ungeheure Bedrohung der Menschheit durch die selbstverschuldete Umweltverschmutzung allüberall.

Abb. 1: Trailer-Collage zu der achtteiligen #TV-Serie Der Schwarm – vielversprechend und doch enttäuschend: Zweite Figur von links: Leon Anawak, fünfte von links: Charlie Wagner. (Quelle: ZDF)

Wie soll man allerdings einen Roman von genau 1001 (in Worten: tausendundeine) Druckseiten einigermaßen überzeugend in das Fernsehformat einer achtteiligen Serie übertragen?
Ich finde das Resultat insgesamt gelungen und sehenswert, obwohl Showrunner Luke Watson und die Regisseure sich beträchtliche Abweichungen vom Buch erlaubt haben: Zum Beispiel wurde aus der ursprünglichen Hauptfigur, dem indigenen Walforscher Leon Anawak, eine Nebenfigur, während eine junge Frau, die Meeresbiologin Charlie Wagner, in den Mittelpunkt rückte. Nette Verbeugung vor den veränderten Gender-Realitäten (die mir ansonsten durchaus sehr gefallen) – aber doch eine kräftige Verfälschung der ursprünglichen Geschichte.
Hingegen hat das „Pilchern“ (nämlich in der Art der Schmonzetten nach Rosamunde Pilcher), wie Schätzing das abschätzig bewertet, der Serie gut getan: Zwischenmenschliche Beziehungen (und Beziehungs-Kisten) sind nun mal wichtig im Leben. Erst wenn es richtig „menschelt“, ist man als Nicht-Fachfrau und –Fachmann bereit, solche kräftigen Prisen von naturwissenschaftlichem Tobak (noch dazu in der verfremdeten Form von doch recht verrückter Science-Fiction) zu akzeptieren. Da haben die TV-Macher durchaus richtig gehandelt, denke ich.
Wenn Schätzing so etwas missfällt –  dann hätte er dir Rechte nicht verkaufen dürfen. Mit so etwas musste er, der gewiefte Medienprofi, rechnen. Das im Nachhinein in Interviews mies zu machen (immerhin hat ihm das ZDF dafür sogar fairerweise eine Plattform geboten in Gestalt eines eigenen begleitenden Beitrags) zeugt nicht von Souveränität, sondern ist kleinliches Nachtreten.

Aber an der Serie selbst habe ich schon auch etwas auszusetzen: Es ist kein Wunder, dass bei jeder Folge etwa eine Million Zuschauer mehr ausgestiegen ist. Die einzelnen Kapitel bringen keine richtige Steigerung, und irgendwie ist da – trotz beachtlicher CGI – nicht das inspirierende Flair, das andere Serien (nicht nur aus der SF-Welt) durchaus haben. Weshalb man sie sich gerne noch einmal anschaut: Dieses Bedürfnis habe ich beim Schwarm überhaupt nicht. Gesehen, Neugier befriedigt – und abgehakt. Was schade ist. Denn das Thema der Umweltbedrohung in den Weltmeeren hätte, wie gesagt, etwas anderes verdient: Etwas Unvergessliches.

Heftiges Happyend

Was das total unglaubwürdige Hammer-Happyend angeht (religiöser Kitsch vom Tod durch Ertrinken und wundersamer Auferstehung): Die arme Charlie würde dort in der Arktis in der nassen Kleidung trotz Wiedererweckung binnen kurzem erfrieren.
Aber man kann das auch als tröstliches Happyend sehen. Kann man.

Frank Schätzing sollte sich mit seiner Kritik an der Serie allerdings lieber zurückhalten: Mit dem Schwarm hat er zwar bewiesen, dass auch in Deutschland eine doch recht voluminöse SF-Erzählung ein enormer Bestseller-Erfolg werden kann – keine geringe Leistung, wenn man bedenkt, dass nach der allmählichen Steigerung in den ersten beiden Dritteln, die sich jedoch in vertrauten Leseerfahrungen bewegen, das letzte Drittel zu einer wirklich yrren SF-Story mutiert, die jeden Nicht-SF-Fan eigentlich überfordern muss. Aber Schätzing hat dieses publizistische Wunder geschafft und damit der SF in Deutschland vielleicht viele neue Freunde zugeführt. Und das schon vor fast 20 Jahren, also bevor all diese SF-Blockbuster wie Avatar die Kinos stürmten.
Leider haben sowohl sein Folgeroman Limit wie der nächste Buch-Ziegelstein, Die Tyrannei des Schmetterlings (ein beliebiger Thriller im Multiversum, verwirrende wilde Zeitsprünge inklusive) längst nicht mehr das gehalten, was der Schwarm so überzeugend geliefert hat: Spannende SF-Unterhaltung, also Fiction, mit solidem Science-Hintergrund. Stattdessen langweilt der Autor in seinen späteren Werken passagenweise mit Informationen, die eitel seine Bildung beweisen – aber den Fortgang der Handlung mehr stören als antreiben. Da hätte eine kritischer Lektor hilfreich eingreifen müssen: Über die genaueren Hintergründe einer Revolution in Afrika muss ich wirklich keine Details erfahren, wenn ich wissen möchte, was mit einem futuristischen Weltraumaufzug und auf dem Mond passiert (s. Limit).

Meine Kritik an Schätzings Grundidee der Yrr in seiner Schwarm-Welt: Wie soll das funktionieren? Schon eine einzige Qualle, die im Ozean durch den Yrr-Schwarm treibt, würde die Kommunikation in diesem Pseudo-Gehirn aus Einzellern stören. Oder gibt es da so etwas wie urtümliche Telepathie? Ein typischer Logik-Fehler wie oft in der SF: Seelenwanderung bei Avatar, die „Macht“ und die Laser-Schwerter und Ritterrüstungen im Star Wars-Universum: keine Science-Fiction, sondern magischer Märchen-Mist.

Abb. 2: Umschlag der Romanfassung Der Schwarm von 2004 (Kiepenheuer & Witsch)

Quellen
Matzig, Gerhard: „Der Schmarrn“. In: Südd. Zeitung Nr. 42 vom 20. Feb 2023 (Feuilleton), S. 16.
Schätzing, Frank: Der Schwarm. (2004) Köln 2005 / 25. Aufl. (Kiepenheuer & Witsch).
Watson, Luke (Regie): The Swarm. ZDF März 2023.

294 _ #1503 _ 2023-03-24/20:25

Mandalorianischer Mist

(Fans von Star Wars werden mich vielleicht steinigen oder ihre Shitstorm Trooper vorbeischicken – sei´s drum.)
Es hat mir schon als Jugendlicher großen Spaß gemacht, Science-Fiction nicht nur wegen der schrägen Geschichten aus exotischen fernen Zukunfts-Welten zu lesen, sondern auch Fehlern darin nachzuspüren:
° Fehlern in der Erzähl-Logik,
° und wissenschaftlichen „Falschmeldungen“.

Letztere betrafen nicht etwa die möglichen neuen Techniken und wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Zukunft („Was wäre wenn?“) – sondern schlichten Unsinn, was die Grundlagen der Physik und anderer Naturwissenschaften angeht. Ich besaß sogar als 14jähriger die Kühnheit, den Erdkundelehrer vor versammelter Klasse zu „korrigieren“, weil er die Reihenfolge der Planeten im Sonnensystem falsch aufzählte: „Erst kommt der Jupiter, dann der Saturn, Herr Studienrat“. Wie man sich halt als Teenager gerne als „Besserwisser“ großtut.
Man macht sich damit nicht beliebt – weder bei Lehrern noch bei Autoren – aber es macht irgendwie Spaß, etwas zu entdecken, was andere übersehen haben.

Abb.: Weltraum-Ritter Jin Djarin mit Laser-Schwert (© Disney+ – TV-Serie The Mandalorian, Staffel 3, Episode 1)

Beliebte Fehler in der Science-Fiction jener Jahre, die gerne deutschen Autoren unterliefen, aber vor denen auch die Angloamerikaner nicht gefeit waren:

° Leben auf dem Planeten Venus, etwa eine „Dschungelhölle“ mit Sauriern? So etwas konnte man in der Heftserie Jim Parkers Abenteuer im Weltraum  noch 1954 behaupten, weil man es nicht besser wusste. Seit den russischen Sonden ab den 1960er Jahren weiß man jedoch, dass es auf dem zweiten Planeten unseres Sonnensystems kein Leben geben kann, schon gar keine „Saurier“ – bei Temperaturen um 460 ° Celsius und tödlichem Atmosphärendruck ein Ding der Unmöglichkeit.
° Oder dass es auf der Rückseite des Mondes (für uns von der Erde nicht sichtbar) eine Sauerstoffatmosphäre geben könnte (auch das eine „Realität“ bei Jim Parker). Seit der ersten Mondumrundung und der Mondlandung 1969 ist das nicht mehr vermittelbar. (Obwohl es Frank Schätzing in Limit doch nochmal versucht hat.)
° Oder eine atembare Atmosphäre auf dem Mars? Mars-Kanäle? Anfang des Zwanzigsten Jahrhunderts war der rote Planet noch eine Spielwiese für die Phantasie, etwa in Edgar Rice Burroughs´ The Princess of Mars . Eine reizvolle Möglichkeit, dort herumzuspazieren wie auf der Erde, nur mit halbem Gewicht. Aber in der Verfilmung John Carter – Zwischen den Welten bereits ein Ding der Unmöglichkeit nach allem, was man heute über den Mars weiß. Doch als nostalgisches Zitat der Originalgeschichte von 1912 immer noch ein großer Spaß. Genau wie die Mars-Kanäle als Zeugnisse einstiger Hochkultur auf dem erdnächsten Exoplaneten.

Dies konnte man also noch in den 1950er Jahren phantasieren. Aber heute – nach all den aktuellen Forschungsergebnisse der Mond-, Venus- und Mars-Sonden?
Und glaubt James Cameron im Ernst, dass es auf Pandora so etwas wie das Metall Unoptanium geben könnte, das die Schwerkraft aufhebt – oder dass man mit irgendeinem technischen Apparat die Persönlichkeit eines Erdenmenschen in einen geklonten Pandora-Bewohner transferieren könnte – Seelenwanderung also?
Aber die schwebenden Felsen von Pandora sind eine wunderbare Idee und auch prächtig anzuschauen.
Ebenso ist das futuristische Metall Vibranium in den Marvel-Superhelden-Epen um den Schwarzen Panther purer Nonsense. Aber so etwas ist in so einem Comic-Universum wie in jeder magischen Märchenwelt halt möglich und hübsches Spielmaterial.
Heute unbekannte Metalle sind wirklich Märchenstoff. Das könnten realiter nur unglaublich schwere und extrem kurzlebige, radioaktiv zerfallende Transurane sein – schwer vorstellbar, dass es jenseits des Lawrenciums stabile Transurane geben könnte!

Helm ab zum Gebet – verboten!

Nun zu Star Wars von George Lucas – diesem Märchen-Universum, das mit Science-Fiction (als das diese Geschichten gerne ausgegeben werden) so viel zu tun hat wie Harry Potter (dessen Autorin J.K. Rowling aber gar nicht erst versucht, das als mögliche Realität zu verkaufen). Die TV-Serie Mandalorian ist ein Ableger des Star Wars-Universums mit all seinen Märchen-Figuren und -Geschichten. Aus den aktuellen 2020er Jahren stammt dieser Schwachsinn:
Die Mandalorianer sind buchstäblich Ritter in Metallrüstungen. Die „flotte“ Ausgabe verfügt über eine Art Rucksack-Raketenantrieb. Der Kodex dieser Elitetruppe (eigentlich mehr eine religiöse Sekte) verpflichtet sich, den Helm nie wieder abzulegen. Was in der aktuellen dritten Staffel (Disney+ ab März 2023) den Plot abgibt. Der Mandalorianer Jin Djarin tut nämlich genau dies: Er nimmt seinen Helm ab. Dadurch fliegt er aus der Truppe (was ihm die Matriarchin der Sekte sehr deutlich macht).
Das muss man sich mal realistisch vorstellen: Da trägt jemand nicht nur ein Leben lang und Tag und Nacht diese Metallrüstung (wie ist das bei 40° im Schatten – oder bei 10° unter null?) – sondern darf laut religiöser Selbstverpflichtung nicht einmal den Helm abnehmen! Wie rasiert man sich dann (es sind ja fast alles männliche Protagonisten) , wie putzt man seine Zähne, wie wäscht man sich? Der Mann mit der Maske aus der französischen Mantel-und-Degen-Zeit der Drei Musketiere um 1650 vermittelt sehr realistisch das schreckliche Gefühl, das so ein Metallhelm über dem Kopf auslösen würde. Jeder, der in Corona-Zeiten länger als eine Viertelstunde mit Schutzmaske (die ja nur Nase und Mund bedeckt) herumlaufen musste, versteht sofort, wie klaustrophobisch sich ein ganzer Helm anfühlen müsste. Und das Tag und Nacht?

Bullshit, Hollywood!

Diese Mandalorianer würden schon nach drei Tagen stinken wie das letzte Schwein! Wer denkt sich so etwas Hirnrissiges aus? Naja, die super bezahlten Showrunner von Hollywood eben.

Und dann diese bescheuerten Laser-Schwerter. Kinder lieben sie, laufen im Fasching damit herum. Ein großer Spaß, zugegeben. Aber als „Waffe“ bei Kämpfern erwachsener Krieger in einem zukünftigen Universum mit Raumschiffen zwischen den Sonnensystemen? Wo jede Distanzwaffe (Pistole, Revolver, Gewehr, selbst Pfeil und Langbogen oder eine einfache Armbrust) jedem Schwert überlegen wäre? Und für diesen und anderen Unsinn hat die Walt Disney Corp. George Lucas, vier Milliarden Dollar bezahlt!
Aber die Fans lieben es, kaufen sogar komplette Rüstungen der Storm Trooper (Vorbild: Hitlers Mördertruppe SS) und die Kasse klingelt. George Lucas hat eben den richtigen Riecher gehabt: Die Menschen wollen Märchen ( und sei es „in einer fernen Galaxis“) – auch als Erwachsene, heute eben im Gewand von Science-Fiction. Aber mit der physikalischen Realität des Universums hat all das nichts zu tun.

Mein Fazit speziell zur Serie um den Mandalorian: Mandalorianischer Mist. Aber als reine Unterhaltung ein gut gemachter Märchen-Spaß, für Erwachsene und andere Kinder. Vor allem der Kampf gegen dieses grausige Seeungeheuer in der ersten Episode – ein Heidenspaß wie weiland bei Sindbad dem Seefahrer der Kampf mit dem Zyklopen. Kurioses Kasperletheater eben. Und ein prächtiges Beispiel für MultiChronie mit extrem unterschiedlichen Zeitschichten:
° Mittelalterliche Vergangenheit (Ritterrüstungen, Schwerter, Jedi-Ritter als quasi-religiöser Orden in der Art von König Artus´ Tafelrunde in Camelot, alles in einem galaktischen Kaiserreich spielend) und im Kontrast dazu
° ferne Zukunft mit überlichtschnellen Raumschiffen zwischen exotischen Sternensystemen, Rucksackraketen, Strahlenpistolen und besagte Laser-Schwerter (wie die funktionieren sollen, konnte mir noch niemand sagen).

Aber wie gesagt: Bei allem physikalischen Unsinn – prächtige Unterhaltung für alle Altersklassen. (Der Mandalorianer und Kopfgeldjäger Boba Fett in der anderen Parallel-Serie ist mir sympathischer – gerade weil er seine Rüstung immer wieder abnimmt.)

Quellen
Burroughs, Edgar Rice: Princess of Mars. (1912 ca.) New York 1912.
Coogler, Ryan (Drehbuch und Regie): Black Panther. USA 2018 (Disney).
Favreau, Jon (Idee und Showrunner): Das Buch von Boba Fett. USA 2021-22 (Disney+).
Favreau, Jon (Idee und Showrunner): The Mandalorian, Staffel 3, Episode 1 USA 2023 (Disney+).
Lucas, George (Drehbuch und Regie): Krieg der Sterne. Erster Film der Serie. USA 1977.
Schätzing, Frank: Limit. Köln 2009 (Kiepenheuer & Witsch).
Tjörnsen, Alf: In den Dschungeln der Venus. Jim Parker Heft 12. Rastatt 1954 (Pabel).
Stanton, Andrew  (Regie): John Carter – Zwischen zwei Welten. USA 2012.

296 _ #1504 _ 2023-03-07/19:10

Söder wildert auf dem Balkan

(Vorab: Die beiden Bilder, welche diesen Beitrag illustrieren, sind nur prototypisch gemeint, weil sich die Gebäude in meiner näheren Umgebung befinden – nicht, weil speziell dort Mangel herrscht.)

100 Milliarden € für die Bundeswehr 2.0 – das wurde 2022 rasch beschlossen, als der Krieg Putins gegen die Ukraine die Länder des Westens und dort ganz speziell das seit Gorbatschow aus gutem Grund sehr russlandfreundliche Deutschland aufschreckte.
Als ich meine Seminare noch im Combinat 56 abhielt, geschah dies in einem Gebäude, wo vorher seit Jahrhunderten Kasernen standen. Einer der männlichen Teilnehmer erzählte mal, er habe „hier auf dem Exerzierplatz noch im Dreck gerobbt“, als er bei der Bundeswehr seinen Grundwehrdienst absolvierte.
Tempi passati – unzählige Kasernen und Exerzierplätze wurden seit 1990 und der friedlichen Wiedervereinigung in zivile Gebäude und Plätze verwandelt – Friedensdividende nannte und nennt man das zu Recht.

Abb. 1: Alten- und Pflegeheim „Damenstift“ am Scheidtplatz in München (Archiv: JvS)

Aber warum hat man nicht aus dieser „Friedendividende“ jedes Jahr ein paar Milliarden € für den Ausbau unseres Bildungssystems und des ebenso notleidenden Pflegesystems umgewidmet?

Jeweils 100 Milliarden €uro für Bildung und für Pflege – das wäre längst nötig. Denn geht es nicht auch da um so etwas wie die „innere Sicherheit“ unseres Landes?
Lehrermangel heißt es seit Jahrzehnten (!). Dabei können die zuständigen Referenten in den Kultusministerien ganz bestimmt gut rechnen und wissen, wie viele Kinder demnächst eingeschult werden und wie viele Lehrer und Lehrerinnen man deshalb benötigt. Ich nehme auch an, dass die für den Schul-Etat zuständigen Politiker um diese Zahlen wissen – aber sie schieben das reichlich vorhandene Steuergeld lieber woanders hin. Was ihnen umso leichter fällt, weil sie wissen, dass finanziell gut gestellte Familien (auch unter den Politikern selbst?) ihre Kindern eben auf teure Privatschulen schicken, wenn die staatlichen und kommunalen Schulen nichts taugen. Das war schon immer so.
Genauso ist es mit den Pflegeeinrichtungen. Es gibt immens teure Senioren-Edel-Residenzen wie das Tertianum und das Augustinum in München und andernorts, wo man locker an die 10.000 € im Monat bezahlt und es ganz sicher keinen Mangel an – auch gut bezahlten – Pflegekräften gibt. Oder man leistet sich privat gute Pflegekräfte. Gerade erbärmlich geht es andernorts zu, wo man Pflegekräfte wirklich mies bezahlt und ausbeutet – und sich dann wundert, wenn sie abwandern. Und das ist nicht erst seit dem zusätzlichen Stress durch die Corona-Pandemie so.

Die Zwei-Klassen-Gesellschaft und ihre Nutznießer

Jetzt muss auf Putins Angriffskrieg geantwortet werden, da kommen wir an Aufrüstung und Modernisierung der Bundeswehr nicht vorbei. Und woher das Geld „nehmen wenn nicht stehlen“? Man wird es noch mehr bei Bildung und Pflege abzwacken. Und man geht in Billiglohnländer und wirbt dort das begehrte Personal ab. Unsere Politiker wildern lieber in fremden Gebieten als dass sie im eigenen Land flächendeckend für gute Arbeitsbedingungen sorgen .

Es gibt bei schon immer eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, das ist kein Geheimnis. „Weil du arm bist, musst du früher sterben“ – so prangerte ein Skandal-Film schon 1956 die Situation der Kassenpatienten an, die sich weder Chefarzt-Visiten noch komfortable Einbett-Zimmer leisten konnten (für welche die Privatkassen zahlen – gegen höhere Prämien, versteht sich – die man sich eben gönnen können muss).

Genau wie der Lehrermangel ist der Mangel an Pflegekräften nichts, was unverhofft wie die Corona-Pandemie über die Menschheit resp. Deutschland resp. Bayern hereingebrochen ist. Und nun gehen unsere Politiker auf „Abwerbetour“ in die Billiglohnländer der Nachbarschaft, um dort Personal einzuwerben – nein: abzuwerben. Wie aktuell Bayerns Markus Söder in Albanien und Rumänien.
Das muss man sich mal klar machen: Diese armen Länder haben Fachkräfte mit ihren Steuergeldern ausgebildet – und dann kommt der Herr Ministerpräsident und wirbt sie nach Bayern ab. So einfach ist das.

Viele Jahre hat man bei uns das Geld für alles nur Erdenkbare ausgeben (immer breitere Autobahnen zum Beispiel) – nur nicht für eine anständige Bezahlung von Pflegekräften. Und jetzt geht man in diese eh schon schlecht versorgten und ausgestatteten Nachbarländer und lockt deren dort ja ebenfalls dringend benötigtes (und mit viel Geld ausgebildetes) Fachpersonal ins reiche Deutschland ab.

Mehr ist dazu nicht zu sagen. Außer vielleicht dies: Schämt euch, ihr Politiker!

Abb. 2 Grundschule in Bayern (München, Dachauerstraße) (Archiv JvS)

Quelle
Gerl, Maximilian et al: „Söders Abwerbetour auf dem Balkan. In: SZ Nr. 37 vom 14. Feb 2023, S. R07 (Bayern-Teil).
May, Paul (Regie), Ernst von Salomo und Kurt Wilhelm (Drehbuch). Deutschland 1956. (Nach einem 1955 veröffentlichten Illustriertenroman von Hans Gustl.)

294 _ #1502 _ 25. Feb 2023/18:56

Putin und die Atomkriegsängste der „nützlichen Idioten“

Mitte 2022: Putin droht, Atomwaffen gegen die Ukraine einzusetzen.
21. Februar 2023: Putin kündigt einseitig den Atomwaffensperrvertrag.

Und die Atomkriegsängste der „nützlichen Idioten“ (Lenin) im Westen, vor allem in Deutschland, blühen wie in den Hochzeiten des Kalten Krieges. Merken diese Angsthasen nicht, wie willfährig sie das Geschäft des skrupellosen Mörders und Soziopathen im Kreml betreiben? Hat man nichts aus der perfiden Taktik eines Adolf Hitler gelernt, der die umgebenden Staaten Europas in der trügerischen Sicherheit wiegte, dass man mit ihm „verhandeln“ könne – obwohl er genau dies NICHT vorhatte – es niemals auch nur in Erwägung gezogen hat?

Abb. 1: Das sieht wirklich zum Fürchten aus – aber ist ein zweites Hiroshima oder Nagasaki wirklich das Problem? (Quelle: Internet)

Von Hitler lernen – heißt für das Verhalten gegenüber Putin lernen. Putin ist ein eiskalter Machttaktiker und zudem ganz deutlich ein rücksichtsloser Soziopath und Psychopath , der während seiner Geheimdienst-Karriere dreierlei vor allem gelernt hat: Dass man den Gegner am besten durch Lügen, Betrügen und Desinformation erst verunsichert und dann aufs Kreuz legt. Es ist so durchsichtig, wie er mit der Angst der Gemüter in Deutschland spielt, indem er Material liefert,
° sich vor dem „bösen Mann“ im Kreml zugleich zu fürchten („Atomknüppel“)
° und gleichzeitig zu hoffen, dass man mit ihm verhandeln könne.

Ja wie denn nun: Fürchten und vor Angst erstarren – oder Hoffnung auf rationales Verhandeln?

Putin ist ein Verrücktmacher

– wie alle Soziopathen. Dabei ist seine Taktik so durchsichtig: Er will möglichst viele „Gutmenschen“ im Westen auf seine Seite bringen und damit politische Unruhe stiften – deren einziger Zweck es ist, die westlichen Regierungen zu schwächen und zu destabilisieren.
Lenin nannte einst die Intellektuellen, welche die kommunistische Partei außerhalb der Sowjetunion unterstützten, seine „nützlichen Idioten“. Macht Putin etwas anderes, wenn er heute Prominente wie Sarah Wagenknecht und Alice Schwarzer und Prof. Jürgen Habermas auf seine Seite zieht und von „Verhandlungen “ träumen lässt?

Da gibt es nichts zu verhandeln, solange Putin resp. die russische Militärmaschine unaufhörlich Städte in der Ukraine zerstört und Hunderttausende von Menschen tötet und verstümmelt. Eine ernsthafte Verhandlungsposition sieht anders aus:

Beide Seiten stellen eine gewisse Zeit die Kampfhandlungen ein. Dann schickt man Emissäre beider Seiten an einen neutralen Verhandlungsort und bespricht dort in aller Ruhe im Beisein neutraler Beobachter die Situation.

Hat Putin auch nur ansatzweise gezeigt, dass er dieses „Verhandeln“ möchte?

Nein. Er zerstört und mordet und verstümmelt unaufhörlich und fördert damit zugleich einen Flüchtlingsstrom in die westlichen Länder, die zusätzlich politisch destabilisieren soll. Dass ist sein perfides Machtkalkül. Von der Bereitschaft, zu verhandeln, nicht die geringste Spur – nur in den Köpfen der „Friedenssehnsüchtigen“.

Aber nehmen wir den Atomknüppel mal ernst

Was könnte denn im schlimmsten Fall passieren?
° Putin zerstört mit einer Atomrakete Kiew, um die dortige Regierung und die Hauptquelle des Widerstands gegen seinen Krieg zu vernichten. Mal abgesehen davon, dass er damit die Zentrale des Gebietes auf Jahrhunderte radioaktiv verseucht (weit schlimmer als Tschernobyl) – widerspricht er damit vehement seinem eigenen Anspruch, dass die Ukraine in Wahrheit russisches Territorium ist, dass man zurückholen müsse zu Mütterchen Russland. Ein total verstrahltes Gebiet?

Abb.2: Fiktives Szenario eines EMP-Schlags gegen Russland (Archiv JvS)

° Wie würde der Westen reagieren, vor allem die USA? Letztere haben deutlich gesagt, was der Preis wäre: Die Vernichtung der russischen Schwarzmeerflotte mit konventionellen Waffen. Dazu möglicherweise auch gleich noch ein EMP-Schlag etwa 400 km über Moskau, der dort ein großes Gebiet elektronisch ausschalten würde – mit der Folge eines totalen Zusammenbruchs aller zivilen und militärischen Installationen, sämtliche Handys, Uhren und Computer und was sonst noch digital arbeitet – also im Grunde ALLES.

° Wie könnte ein zweiter Schritt Russlands aussehen? Eine Interkontinentalrakete gegen Washington? Berlin? München? Paris? Oder alles zugleich?

° Dazu wird es nicht kommen, weil schon der Atomschlag gegen Kiew die ganze übrige Welt so entsetzen würde, dass jede Unterstützung Russlands erlischt – schon aus Gründen des Selbstschutzes. Was hätten China oder Indien für ein Interesse, DIESES Russland noch weiter zu unterstützen?

° Alles, was Putin mit seinem Atomschlag erreichen würde, wäre, Russland politisch auf den Status von Nordkorea zu befördern: ein international geächteter Paria.

° Dass all dies nicht geschieht, dafür sorgt schon das Umfeld von Putin. Keiner der Generäle oder reichen Oligarchen kann ein Interesse an diesem atomaren Wahnsinn und seinen absehbaren Folgen für Russland – und vor allem für sie selbst und ihre Familien haben.

Ich kann mich irren
Vielleicht haben die „“Angsthasen“ ja recht. Aber ich weiß eines: Ich will keiner dieser „nützlichen Idioten“ Putins sein und dazu beitragen, das solche irrationalen Ängste weiter geschürt werden.

Es ist doch so durchsichtig: Ja lauter Putin vom Atomschlag schreit – umso mehr darf man dahinter vermuten, dass er in großen Problemen steckt. Weil er nicht liefern kann, was er vor einem Jahr großmäulig in die Welt hinausposaunt hat: Ich mache Kiew in drei Tagen platt.

Ganz im Gegenteil hat er in der Ukraine einen ungeheuer starken Widerstand erzeugt, hat den Westen geeint (statt ihn zu schwächen), hat er schätzungsweise schon 100.000 (hunderttausend!) russische Soldaten geopfert und sowohl die russische Militärmaschine wie die russische Wirtschaft enorm geschwächt – ganz zu schweigen von der zunehmenden politische Isolierung, in die er Russland manövriert.

Und ja: Es ist denkbar, dass Putin einen atomaren Erstschlag auslöst
Aber ist es auch sehr wahrscheinlich, dass die ganze Befehlskette ihm folgt, wenn er auf den berüchtigten „roten Knopf“ drückt? Die Atomrakete abfeuern kann nur jemand vor Ort bzw. am Anfang der militärischen Befehlskette nach Putin: Ein General – ein Technik-Soldat vor Ort – ein Techniker im Raketensilo, ein IT-Spezialist… Und alle diese Leute haben vermutlich Familie und Angst ums eigene Leben, das in einem entfesselten Atomkrieg keinen Pfifferling mehr wert wäre.
Da kann noch vieles falsch laufen: Durch „entschleunigtes Arbeiten“, fehlerhaftes Arbeiten, Befehl-Missverstehen, Befehlsverweigerung. Durch Sabotage. Oder auch durch schlichtes Versagen veralteter Technik.

Muss man sich vor alledem fürchten? Oder sollte man es nicht besser in dem Bereich lassen, wohin es gehört: in die Science-Fiction.? Eine Literaturgattung und eine Filmwelt, die ich von Kindheit an geschätzt habe und die mich mit all den Grusel-Szenarien eines Dritten Weltkriegs mit Atombomben reichlich versorgt und geplagt hat. Heute denke ich mir:

Atomkrieg? Nein danke.

Dann geht auch keiner hin.

293 _ #1285 _ 2023-02-22/20:38 Mit

Prof. Habermas: Putin ist ein Psychopath

In einem großen Aufsatz in der aktuellen Süddeutschen Zeitung (15. Feb 2023) bittet der Frankfurter Soziologe und Philosoph Prof. Jürgen Habermas geradezu händeringend darum, Deutschland und der Westen möge nicht weiter nur die Ukraine aufrüsten, sondern vor allem mit Putin verhandeln. Aber als Psychologe kann ich nur dazu sagen: Sie irren sich, Herr Professor. Philosophen und Soziologen argumentieren verständlicherweise aufgrund ihrer speziellen Deformation professionelle von einer übergeordneten Warte, in diesem Falle von der Warte der Soziologie vulgo Gesellschaftswissenschaften und der Philosophie.
Aber damit kommt man gegen einen wie Putin nicht an. Deshalb argumentiere ich aus der Sicht meiner eigenen Deformation professionelle als Psychologe, der gewöhnt ist, in die Köpfe der Menschen zu schauen. Ja, das kann man und das muss man – auch wenn das immer nur heißen kann: Ernst nehmen, was diese Menschen von sich geben. Was sie wirklich denken – das kann auch der erfahrenste Psychologe nur vermuten.

Abb.: Nur so eine Science-Fiction-Fantasy: EMP-Schlag gegen Moskau – Handskizze eines Nato-Generals (Archiv JvS 2022-10-02)

Aber nehmen wir doch den Herrscher im Kreml ernst mit seinen Äußerungen. Sie lassen sich alle ganz gut zusammenfassen unter dem Etikett „Psychopath“. Wie alle Ferndiagnosen ist so etwas mit Vorsicht zu genießen. Aber wir können uns ja orientieren an Erfahrungen mit Leuten wie Adolf Hitler, von denen wir inzwischen ganz gut wissen, wie sie getickt und was sie in ihrem „Kopf“ gedacht haben – weil wir die Folgen ihres Denkens und Handelns sehr gut überblicken.
Ja, Herr Prof. Habermas, ich bin auch für „Frieden ohne Waffen“ und fürs Verhandeln, Verhandeln, Verhandeln – für das Schließen von Kompromissen, wie es eine gut funktionierende Demokratie ermöglicht und verlangt.
Aber mit Psychopathen kann man nicht verhandeln. Die andere, moderne Bezeichnung „Soziopath“ trifft es nämlich noch genauer: Einer wie Putin ist, nach allem, was man bisher über ihn weiß und was er bisher von sich gezeigt hat, ein total un-empathischer Mensch (ja, das ist er, ein Mensch und kein Alien), der auf nichts und niemanden Rücksicht nimmt – nur auf sich selbst. Wenn es stimmt, dass er inzwischen der reichste Oligarch Russlands ist, und wenn man seine eigenen überlieferten Statements ernst nimmt (und das sollte man) – dann interessiert ihn nur eines: Seine eigene Rolle im Weltgeschehen und die ist:

Ich in der tollste russische Zar, noch toller und rücksichtsloser als Iwan der Schreckliche, es gibt keinen besseren neben mir.

Man kann dies leicht an Putins bisherigen mörderischen Aktionen gegen die Ukraine und deren Bewohner festmachen. Entlarvender ist jedoch, wie er seine eigenen Soldaten und sein eigenes Land und die russische Wirtschaft behandelt – nein: misshandelt: nämlich absolut rücksichtslos.

Genau deshalb kann man mit ihm nicht verhandeln. Denn wie jeder Soziopath wird er jede Verhandlung nur führen, um seinen eigenen Vorteil zu sichern und zu vergrößern – seinen persönlichen Vorteil, wohlgemerkt. Es interessiert ihn nicht im mindesten, ob das zum Vorteil Russlands und seiner Bewohner ist; das hat er bisher ja deutlich gezeigt.

Also, Herr Professor Habermas: Wie kann man mit so jemandem verhandeln? Haben Sie denn nichts gelernt aus dem Verhalten von Adolf Hitler – der aus persönlichem Revanche-Denken unbedingt einen weiteren Weltkrieg wollte und jede Verhandlungsbereitschaft der politischen Gegner nur zu einem benützte: Seinem persönlichen Vorteil. Das hieß, Reichskanzler zu werden und zu bleiben und der GröFaZ zu sein: „Der größte Führer aller Zeiten“. Das war ein politischer Witz im Dritten Reich – aber es war leider die bittere Wahrheit. Nicht einmal die Niederlage von Stalingrad 1943 konnte Hitler zu Verhandlungen bereit machen. Er wollte sogar („Nero-Befehl“) lieber den Untergang Deutschlands und der Deutschen als einzusehen, dass er sich geirrt hatte – und aus dem großmäuligen „Tausendjährigen Reich“ gerade mal lächerliche zwölf Jahre geworden waren und der totale Untergang dieses Dritten Reichs.

Und ja: Prof. Habermas hat recht, wenn er betont, dass die Ukraine „den Krieg nicht verlieren darf“. Aber wie soll das gehen, wenn man einen Eiertanz aufführt, bei dem „die andere Seite nicht das Gesicht verlieren darf“?

Mit Putin ist das unmöglich. Er hat mit der Annexion der Krim 2014 gezeigt, dass er Vabanque spielen und gewinnen kann. Kostete ja nur ein paar Tausend Soldaten und Zivilisten das Leben, nicht die eigenen Kinder. Seit dem 28. Februar 2022 versucht dieser Hasardeur und Pausenhofschläger dasselbe Vabanque-Spiel mit der ganzen Ukraine und opfert inzwischen (die ukrainische Seite eingerechnet) Hunderttausende Soldaten und Zivilisten (darunter unzählige Kinder).
Auch Putin betrachtet sich als GröFaZ. Das sieht man daran, wie er seine Generäle und Mitarbeiter und ausländische Emissäre behandelt – an diesem irrsinnigen größenwahnsinnigen Tisch (!). Und wie er diesen Krieg gegen einen theoretisch weit unterlegenen Gegner führt: Mit einer Fehlentscheidung nach der anderen und absolut beratungsresistent.
Warum zieht man daraus nicht die einzige sinnvolle Schlussfolgerung: Verhandeln ja, unbedingt – aber nur mit Putins Nachfolgern (die man entsprechend hofieren und präparieren sollte) – niemals mit dem Psycho-Soziopathen Putin selbst.

Deshalb sind Putin-Versteher und Putin-Freunde (wie der frühere Bundeskanzler Schröder) absolut ungeeignet, weil „freundschaftsblind“. Und politische Totalversager wie Putin-Versteher Donald Trump (die in dem Kreml-Herrscher nur ihr eigenes Spiegelbild wiederfinden) sind es ebenfalls.

Es ist hochinteressant, dass die SZ die Ausführungen von Prof. Habermas, denen sie fast zwei Zeitungsseiten einräumt, mit einem zwar wesentlich kleineren, aber sehr aufschlussreichen Artikel des erfahrenen Politikjournalisten Kurt Kister begleitet, um nicht zu sagen: konterkariert. Dieser Beitrag ehrt den greisen Frankfurter Philosophen, hinterfragt jedoch seine Haltung „Verhandeln um (beinahe) jeden Preis“ doch sehr deutlich.

Ein Verdacht

Vielleicht ist es ja so, dass man der Ukraine Kampfjets und anderes moderne Kriegsgerät nur deshalb so zögerlich liefert, weil der Westen (vor allem die USA) es nicht ungern sähen, wenn Russland in einem jahrelangen Stellungs- und Abnützungskrieg zunehmend geschwächt und wirtschaftlich ausgeblutet wird. Um gewissermaßen geopolitisch zu vollenden, was in den 1990er Jahren mit dem Ende der Sowjetunion nur teilweise gelang. Die Ukraine bekommt dabei zu wenig zum Leben – und zu viel zum Sterben. In Israel funktioniert diese Strategie des Stellvertreterkriegs ja seit 1948 recht gut.
Zur Deformation professionelle von Militärstrategen und westlichen politischen Führern könnte das ganz gut passen.
Aber das ist nur mein Verdacht, wie gesagt.

Für´s Poesiealbum:

„Die Psychopathen sind immer unter uns. In kühlen Zeiten begutachten wir sie – in heißen Zeiten regieren sie uns.“ (Ernst Kretschmer 1929).
„Ich glaube, der Beitrag der Soziopathen in ruhigen Zeiten wird noch immer unterschätzt…“ (K.R. Eissler 1968).

Quellen
Eissler, K.R.: „Zur Notlage unserer Zeit“. (1968). In: Psyche, Jg. 22,  S. 641-657) und in Scheidt 1975, S. 275.
Habermas, Jürgen: „Ein Plädoyer für Verhandlungen“. In: SZ Nr. 38 vom 15. Feb 2023, S. 10/11 (Feuilleton).
Kister, Kurt: „Was treibt diesen Mann?“ (gemeint ist Habermas). In: SZ Nr. 38 vom 15. Feb 2023, S. 10/11 (Feuilleton).
Kretschmer, Ernst.: Geniale Menschen. Berlin 1929, S. 20.
Scheidt, Jürgen vom (Hrsg.): Psychoanalyse. München 1975 (Nymphenburger Verlagshandlung).

292 _ #1502 vom 15. Feb 2023/12:53

Atlantis ging unter, Herr Maaßen!

Wer nach mit einem zugkräftigen Namen für ein Projekt sucht, landet leicht bei Bezeichnungen aus den alten Mythen, die für etwas ganz anderes stehen als das, wofür man zu werben meint. Ein schönes Beispiel dafür ist der tragische Held Ikaros (auch: Icarus) der Labyrinth-Sage. Den nimmt man gerne als Namen für Unternehmen, die zu (geistigen oder realen) Höhenflügen führen sollen – nicht bedenkend, dass der arme Kerl bei seiner Flucht aus dem unterirdischen Labyrinth-Verließ leider tödlich abstürzte – während seinem genialen Vater Daidalos eben diese gemeinsame Flucht gelang – mit Hilfe der von ihm erfundenen künstlichen Flügel.
Ein Beispiel für diese Art von Missgriff ( Zufallsfund in der Süddeutschen Zeitung):
I.C.A.R.U.S ist ein Forschungsproject mit diesem pfiffigen „sprechenden“ Akronym. Das ist einerseits sehr passend – denn hier geht es wirklich ums Fliegen wie in der Labyrinth-Sage – aber andrerseits als Name für ein Forschungsvorhaben doch etwas fragwürdig, weil das eben auch das mögliche „Abstürzen“ des Projekts beinhaltet.

Abb. 1: Der Sturz des Ikaros – Abb. 2: Der Untergang von Atlantis (Zeichnungen: Alfred Hertrich 1995 bzw. 1955)

2021 hat Hans-Georg Maaßen, der ehemalige Chef des deutschen Verfassungsschutzes, der so desaströs an den rechtsradikalen Rand der Gesellschaft gedriftet ist, in der Schweiz heimlich eine Stiftung gegründet. Mit der will er angeblich „Volksbildung, Toleranz und Völkerverständigung“ fördern, obwohl manche seiner aktuellen Statements von der Unterwanderung der deutschen Bevölkerung durch fremdrassige Migranten-Eindringlinge handeln und vor Verschwörungs-Schmarrn und Antisemitismus triefen.
Pech nur, dass er für diese Stiftung ausgerechnet die Bezeichnung Atlantis gewählt hat – den Namen jenes sagenhaften Kontinents, der in den Fluten des Ozeans versunken ist.

Quellen
Baier, Tina: „Martin Wikelski: Erfinder des Internets der Tiere“. In: SZ Nr. 157 vom 10. Jul 2019, S. 04.)
„Achtzehn Jahre ist es her, seit Martin Wikelski in Panama den Fleckenbrust-Waldwächter erforscht hat. Der heute 53-jährige Direktor des Max-Planck-Instituts für Ornithologie in Radolfzell baute damals mit Kollegen mitten im Dschungel 40 Meter hohe Gerüste, um die Vögel von oben zu beobachten. Noch besser wäre es, die Tiere aus dem Weltraum sehen zu können, meinte einer aus dem Team. Es war ein Witz, doch die Idee ließ Wikelski nicht mehr los. Wenn alles nach Plan läuft, wird seine Vision an diesem Mittwoch Wirklichkeit: Das Projekt Icarus (International Cooperation for Animal Research Using Space), das der Professor für Ornithologie an der Universität Konstanz leitet, nimmt die Arbeit auf. Wenn die Icarus-Antenne an der Außenseite der Internationalen Raumstation (ISS) aktiviert ist, wird sie Signale von kleinen Sendern auf dem Rücken von Vögeln, Fischen und Säugetieren auf der ganzen Welt empfangen. Und Wikelski kann fast live und gleichzeitig die Bewegungen von Flughunden im Kongo, von Enten in China und von Amseln in Deutschland verfolgen.“

Pittelkow, Sebastian mit Katja Riedel und Jörg Schmitt: „Herr Maaßen geht stiften“. In: Südd. Zeitung Nr. 37 vom 14. Feb 2023, S. 06

291 _ #1501 vom 14. Feb 2023/14:59

Na endlich: Panzer für die Ukraine

Vorab: Ich verstehe mich als Pazifisten – mag weder Panzer noch andere Waffen und schon gar keinen Krieg – wirklich nicht. Als Kriegskind weiß ich recht gut, wie es derzeit in der Ukraine zugeht.
Genau deshalb verstehe ich jedoch den verzweifelten Wunsch von Selenski nach wehrhafter Unterstützung – er braucht diese Panzer wirklich dringend. Und er sollte sie endlich auch bekommen.

Abb. 1: Sieht schon gruslig aus, so ein Panzer – selbst wenn er nur in einem Museum steht (Photo by Skitterphoto on Pexels.com)

Das war ja nicht mehr mit anzusehen, wie unser Kanzler Scholz sich vor dieser Entscheidung „gewunden“ hat. Das ist auch verständlich, weil es vermutlich weittragende Folgen haben könnte, der russischen Invasion ein weiteres mächtiges Hindernis in den Weg zu legen – auch wenn es noch Monate dauern dürfte, bis da wirklich „Panzer rollen“.
Dazu noch dieser logistische Albtraum: Demnächst vier verschiedene Versionen dieser wohl stärksten Panzer-Typen: Leopard II aus Deutschland (und aus anderen NATO-Ländern zusammengeklaubt),  amerikanische Abrams, britische Challenger und französische LeClerc.
Das muss alles transportiert, gewartet, daran muss ausgebildet werden…
Und schon kommt der neue Wunsch (ebenfalls sehr verständlich) nach Kampf-Jets.
Kein Wunder, dass viele Menschen bei uns Putins Drohung mit der Atombombe ernst nehmen oder gar einen Dritten Weltkrieg fürchten.
Ich verstehe diese Ängste und dass man sie mit anderen Menschen teilen möchte. Aber ich vertraue gerade wenn das martialische Gebrüll aus dem Krem immer lauter wird, nach wie vor auf die „leise Stimme der Vernunft“, von der Sigmund Freud 1927 trotz seiner pessimistischen Grundstimmung geschrieben hat:
… die Stimme des Intellekts ist leise, aber sie ruht nicht, bis sie sich Gehör geschafft hat.“ 

Ich habe schon 1965 einen Artikel mit diesem Titel verfasst: 

Abb. 2: Schon in den 1950 und 1960er Jahren hatte man Angst vor dem Atomkrieg. (Archiv JvS, Selecta 1965)

Diese Hoffnung hat bis heute (Stand: 27. Januar 2023) gehalten – also 57 Jahre. Warum sollte die russische Führung an dieser stillen Übereinkunft rütteln? Putin mag ja Psychopath genug sein, um auf den „Atomknopf“ zu drücken. Aber die Generäle und sonstigen „Mächtigen“ in seiner Umgebung haben viel zu viel zu verlieren, um so ein Risiko einzugehen. Sie wissen doch: Wenn Putin Kiew mit einer Atomrakete zerstört, werden die Amerikaner die russische Schwarzmeerflotte versenken. Und so weiter. Nein, das Gerede vom „Atomschlag“ ist nur ein Zeichen, dass Putin in seinem „Köcher“ nicht mehr viel hat und probiert es immer wieder mit „psychologischer Kriegsführung“. Lassen wir uns deshalb also keine Angst machen.

Abb. 3: Wer mal sehr realistisch miterleben will, wie es mit und in so einem Panzer zugeht, kann Brad Pitt als Kommandeur so eines Metallmonsters durch den Zweiten Weltkrieg begleiten – in einem Sherman (Columbia Pictures).

Quellen
Freud, Sigmund (1927): „Die Zukunft einer Illusion“, GW XIV, S. 377.
Scheidt, Jürgen vom: „Der atomare Krieg findet nicht statt“. In: Selecta Nr. 34 / Sep 1965


290 _ #1497 vom 27. Jan 2023/21:15

°Nuklearer Winter (Story)

(Es gibt so Tage, an denen mich der Zustand der Welt, genauer: der Menschheit, sehr pessimistisch bis misanthropisch stimmt. Heute war so ein Tag. All die frustrierenden Diskussionen, ob man der Ukraine Leopard-Panzer liefern dürfe – oder ob man dieses ganze Volk besser gleich verrecken lassen solle. Bloß nicht Herrn Putin verärgern…)

Abb.: Rein symbolisch: Muslimischer Friedhof in Istanbul – eine von unzähligen Grabanlagen dieser Erde (JvS: April 1964)

Er hatte nichts mehr zu verlieren. Aber er konnte der Menschheit eine gute Zukunft ermöglichen – mit gewissen Abstrichen.

Von Honolulu auf Hawaii nach Sumbawa in Indonesien sind es schlappe 3.000 Kilometer. Ist auch mit meinem modernen Jet eine ziemliche Entfernung, vor allem wenn man den Ko-Piloten und die ganze andere Besatzung vorher von Bord schickt und alleine am Steuer sitzen wird. Aber meine kostbare Ladung will ich mit niemandem teilen. Auf Hawaii hätte es auch tolle Vulkane gegeben. Oder auf Island. Aber der Tambora soll es sein.

Also die andere Variante. Von Jakarta nach Sumbawa sind es mit dem Flugzeug Luftlinie nur noch 1.275 km. Ich wäre lieber von Honolulu auf Hawaii gestartet, weil da der nächste aktive Vulkan, der Kilauea, quasi um die Ecke liegt. Aber der Tambora ist mir wichtiger wegen seiner früheren Auswirkungen auf das Weltwetter. Er brach im April 1815 aus und verursachte weltweite Missernten und Hungersnöte: Das berüchtigte „Jahr ohne Sommer“. In den Vereinigten Staaten bekam es den Spitznamen „Eighteen hundred and froze to death“, und in Deutschland (von dort sind meine Urgroßeltern in die USA ausgewandert) wurde es als das Elendsjahr „Achtzehnhundertunderfroren“ berüchtigt.

Kann man alles in der Wikipedia nachlesen.

Was mich mehr interessiert, ist eine ganz spezielle Auswirkung, die dazu führte, dass Mary Godwin den Sommer 1816 nicht genießen konnte, den sie mit ihrem späteren Mann Percy Bysshe Shelley sowie Lord Byron und dessen Leibarzt John Polidori und ihrer Stiefschwester Claire Clairmont in der Villa Diodati in der Nähe des Genfer Sees verbrachte. Was alles nicht so wichtig ist, denn weit eindrucksvoller – und bestimmend für mein eigenes Leben – war, dass diese erlauchte Gesellschaft das Haus kaum mehr verließ und stattdessen Schauergeschichten schrieb – eine erste Schreib-Werkstatt, wenn man so will. Ich hab als Student an einigen solchen Writer´s Workshops bei bekannten Autoren teilgenommen, als mich Science-Fiction noch sehr fasziniert hat, bis ich mein Geschäft gründete und ab da war für solche Extravaganzen keine Zeit mehr – sonst wird nichts aus dem Start-Up und Milliardär wird man dann auch nicht mehr.

Doch zur Sache: Mary Shelley, und nun komme ich zum Punkt und zu mir, verfasste damals ihren Roman Frankenstein oder der moderne Prometheus – die Geschichte jenes genialen Arztes, der aus Leichenteilen einen Menschen neu zusammensetzt und mit der Kraft der himmlischen Elektrizität eines Blitzes zum grusligen Monster-Leben erweckt.

Alles Blödsinn, das würde in der Realität nie funktionieren. Aber im Ergebnis sehr es sehr beeindruckend, gewissermaßen als Virtual Reality. Ein Welterfolg bis heute, mit unzähligen Verfilmungen. Und vor allem durch die Lektüre etwa mit acht für mein eigenes Leben bestimmend. Der Roman gilt als Geburtsstunde der Science-Fiction–Literatur. Mein älterer Bruder las dieses Zeug und so kam es mir in die Finger, als ich gerade selbständig zu lesen begann. Keine leicht Kost für einen Achtjährigen (ich hab die Schwarte auch nie zu Ende gelesen) – aber Dr. Viktor Frankenstein, dieser Urvater aller Mad Scientists, hat es mir damals angetan.

Nachdem diese Zeilen meine letzten sein werden und niemand außer mir sie je zu Gesicht bekommen wird, möchte ich hier vermerken, dass ich zwar kein Genie bin, aber auf jeden Fall ein Hochbegabter, der es in seinem Leben zu etwas gebracht hat. Ja. Hektor Gondwan ist einer dieser Startup-Milliardäre, die es in die erste Liga der Weltwirtschaft geschafft haben mit ihrem Einhorn-Unternehmen.

Kann man das sprachlich irgendwie besser ausdrücken: „… Weltwirtschaft geschafft“ – das klingt nicht gut. Aber ist ja auch egal, ich bin kein Schriftsteller, sondern Unternehmer – und wie erwähnt: Lesen wird das ohnehin nie jemand außer mir.

Nun sitze ich also hier in der Vip-Lounge des Flughafens von Jakarta und genieße mein Essen: Tandoori  Chicken (wirklich lecker), dazu Walldorf-Salat und zum Nachtisch eine Panna cotta mit Erdbeersauce und ein edler Rotwein (keine Ahnung, wo der herkommt – ist auch egal, ich bin kein Feinschmecker). Meine Crew habe ich mit je tausend Dollar beglückt und auf Sightseeing-and-Shopping-Tour in die Stadt geschickt. Meinen letzten Flug werde ich alleine meistern und damit dass Überleben der Menschheit sichern.

Es gibt nur ein Mittel, den Klimawandel sofort und nachhaltig zu bremsen: Den Krebs Menschheit stoppen, und zwar sofort! Ja, ich weiß, wovon ich rede. Mit Krebs kenne ich mich aus. Bauchspeicheldrüsenkrebs ist mein Schicksal. Die Medikamente bändigen den noch ein wenig. Aber mehr ist beim aktuellen Stand der Dinge auch für einen Selfmade-Milliardär nicht drin, auch nicht für einen hochbegabten. Mir bleiben also nur noch wenige Wochen, vielleicht Tage.

Doch das ist genug Zeit, um die Menschheit zu retten. Es werden unter all den Normalos sicher auch etliche Hochbegabte sein, die den Laden wieder zum Laufen bringen. Rein statistisch gesehen (Gauß´sche Normalverteilung heißt das) haben ja 2,42 Prozent einer Bevölkerung einen IQ über 130 und gelten als hochbegabt. (Mein IQ wurde mal bei mensa mit 129 getestet, weshalb sie mich in ihren edlen Club nicht aufgenommen haben, war ein Punkt zu wenig – aber an dem Tag war ich nicht gut drauf und scheiß auf diesen einen Prozentpunkt! Ich weiß, was ich bin).

Gut, manche werden mich als Herostrat verfluchen – aber ist es nicht besser, drei von den acht Milliarden Menschen überleben den nuklearen Winter, für den ich sorgen werde – als dass demnächst zehn Milliarden langsam zu Tode geröstet werden oder in den Fluten der schmelzenden Polkappen ersaufen?

Niemand weiß, dass Dr. Frankenstein mein Vorbild ist – dass auch ich, wenngleich nur im übertragenen Sinn, aus Leichenteilen einen neuen Menschen schaffen werde: Aus den Überlebenden des kommenden „Sommers ohne Sonne“. Nun ja, mit einem einzigen dieser schrecklichen Sommer wird es nicht getan sein. Ich rechne mit drei davon. Passt doch gut: Drei ist eh meine Lieblinsgzahl. Drei Sommer – drei Milliarden Menschen. Wenn es ganz schrecklich wird, nur drei Millionen. Aber auf jeden Fall genug, um gaaaanz laaaaangsam das „Projekt Menschheit“ wieder neu anzuschieben. Als Startup-Unternehmen gewissermaßen.

„Waiter – the bill please!“

Zeit, das ich mich auf den Weg mache und die Fat Lady im Frachtraum ans Ziel bringe. Hat dort gerade so reingepasst. War nicht einfach, eine dieser neuen Mini-Nukes auf dem internationalen Schwarzmarkt der Waffenhändler zu besorgen. Aber wie erwähnt: Dem Milliardär ist nichts zu schwer…

Kleiner Scherz, über den zum Glück nicht einmal ich lachen kann. Die Fat Lady also rein in den Tambora. Und – rumms!

Sollte ich vielleicht den Zettel mit diesen handschriftlichen Notizen irgendwo liegenlassen? Wäre schon schön, wenn jemand das finden würde und die Welt – Quatsch: die Menschheit VON MIR gerettet wurde (die Welt muss niemand retten).

Aber nein! wenn der Zettel zu früh gefunden und entsprechend reagiert wird, kann ich meine Mission vielleicht gar nicht erfüllen. Pfeif auf Eitelkeit und Narzissmus. Ich weiß, was ich getan habe. Also diese Notizen im Klo runterspülen. Und die Einsamkeit hat dann endlich auch ein

ENDE

289 _ #1426 _ 24. Jan 2023/19:16

Der Weltgeist als Spottdrossel

Zufälle gibt´s, die sehen aus, als würde da irgendwo im Universum eine rätselhafte Instanz antworten (Weltgeist, nannte Hegel das). Und manchmal, wenn auch sehr selten, ist diese Antwort regelrecht spöttisch. So war es jedenfalls, als eine gute Bekannte aus Schreibseminar-Tagen mich aufgrund meiner Meinung zum Krieg gegen die Ukraine (zum Beispiel dass man die kräftig mit Waffen unterstützen müsse) und speziell meines zornigen Blog-Eintrags Rohe Weihnacht – für Putin auf eine „andere Meinung“ zum Krieg hinwies von einem ehemaligen Brigadegeneral namens Erich Vad.

Der Mann war mir kein Begriff. Wer begreift also mein Erstaunen, als ich am Tag nach Erhalt dieser E-Mail (also heute) im Streiflicht der Süddeutschen Zeitung sehr ausführliche Auskunft über diesen General bekomme:

Abb.: 1 War dieser Zeitreisende in Wirklichkeit General Vad – oder (Abb. 2) nahm er diese Gestalt an? (Copyright s. Quellen)

„Der ehemalige Brigadegeneral der Bundeswehr Erich Vad, gern gesehener TV-Gast, darf als führend gelten in der Kunst der Fehlanalyse. Er sagte den Untergang der Ukraine in den ersten Kriegstagen voraus („Militärisch gesehen ist die Sache gelaufen“), das Scheitern ihrer Gegenoffensiven, den Fall der Stadt Odessa und manche weitere Entwicklung, deren Gegenteil sich umgehend einstellte. Wie Historiker wissen, haben verblüffend ähnliche Expertisen den Gang der Weltgeschichte geprägt. Es kann daher nicht länger ausgeschlossen werden, dass es sich bei Erich Vad um einen zeitreisenden Experten handelt: Gekleidet in Spanische Tracht sagt er 1618 dem Kaiser, der Dreißigjährige Krieg werde binnen weniger Tage enden, da die Eskalationsmacht der Katholischen Liga überwältigend sei. Erich Vad, nun in Toga, belehrt 216 v. Chr. den römischen Senat, man müsse den Karthager Hannibal bei Cannae durch die Masse der Legionen einfach erdrücken, Erich Vad 1812 am Kaminfeuer im Chateau de Malmaison zu Napoleon: Seid Ihr erst in Moskau, gehört Euch die Welt. Nachzuweisen ist immerhin: Erich Vad war in seiner aktiven Zeit beratend in Angela Merkels Kanzleramt tätig.“

Der manchmal subtile und gelegentlich (s. oben) auch deftige Spott ist das Markenzeichen des Streiflichts. Aber da ist nicht nur dieser – wie immer sehr seltsame und rätselhafte – einfache Zufall im Spiel, diesmal in gewissermaßen „dialogischer Form“ (hier meine Frage – da die Antwort der Kolumne) – sondern es gibt gleich noch einen zweiten Zufall in diesem Zusammenhang:

Am Vortag (Montag der 16. Jan 2023) traf sich der Stammtisch der Phantasten, bestehend aus Freunden der Science-Fiction und der Fantasy. Das Thema war, diesmal ohne Vortrag, eine offene Diskussion darüber, was die immer „stärker“ werdenden Varianten von Künstlicher Intelligenz (KI) mit uns machen,: „“Wie halte ich es mit der Künstlichen Intelligenz?“
Spätestens seit Jack Williamsons The Humanoids ist das Wirken solcher potenzieller, dem Menschen überlegener Super-Intelligenz (eventuell sogar mit Bewusstsein) Thema der SF, in jüngster Zeit immer intensiver. Im Gespräch kamen wir auch auf die „Sandkasten-Spiele“ der Militärs zu sprechen – eine Urform der KI-Simulation von kriegerischen Auseinandersetzungen (ähnlich wie das Schach), mit dem angehende Offiziere lernen, Gefechte darzustellen und durchzuspielen. Ein wunderbares Beispiel ist die SF-Story War Games“ von Christopher Anvil. Und womit beginnt die oben zitierte Kolumne ?

„In dieser Zeit der Wirren bildet das Expertentum den Leuchtturm des Wissens und der Übersicht. Expertinnen und Experten erklären den Menschen dann zum Beispiel, warum Deutschland ein unrettbarer Fall ist oder einfach nicht unterzukriegen sei. Eine Unterart bilden die Militärfachleute. Sie gelten in der Expertenfamilie als zwielichtige Onkel, die in ihrem Keller mit Plastikpanzern die Schlacht von Kursk 1943 nachspielten.“

Danke, Zeitgeist, auch für diesen subtilen Hinweis. Aber das ist noch nicht alles. Denn die in diesem Teil des Streiflichts erwähnte „Schlacht von Kursk“ im Sandkastenspiel war gewissermaßen der Anfang vom Ende des „Unternehmens Barbarossa“, mit dem Adolf Hitler die Sowjetunion zermalmen wollte und die Ukraine zur „Kornkammer Deutschlands“ machen samt ihrem gesamten Volk als Sklavenarbeitern für die Deutschen.

Am Anfang dieses Krieges 1941-1945, der ja wie eine Blaupause ist für Putins Überfall auf die Ukraine Ende Februar 2022 (wobei Putin dummerweise das desaströse Ende von Hitlers Überfall leider nicht auf sein Kriegsabenteuer bezieht) – am Anfang also dieser deutschen Barbarei sah ja alles sehr siegreich aus. Dies war wohl einer der Gründe, weshalb mein Großvater, damals Regimentskommandeur in Dnipropetrowsk, mir bei einem Urlaub (?) vom Kriegsabenteuer etwa 1943 diese Zungenbrecher-Wörter beibrachte: „Dnepr, Dnestr, Dnjepropetrowsk.“

Und was sehe ich gestern Abend, nach dem Phantasten-Treffen, in den Fernsehnachrichten? Schreckliche Bilder aus „Dnistr“ (eine andere Schreibweise von „Djestr“), das Putin mit Raketen beschießen lässt. So tolle Waffen hatten die Nazis und mein Großvater nicht – aber ihre Waffen waren schrecklich genug.

Ach ja, noch etwas nach diesem dreifachen Zufall: In den Romanen und Filmen der Science-Fiction sind Zeitreisen immer wieder ein beliebter Topos, auch bei unseren Diskussionen. Und was unterstellt das Streiflicht dem General Vad? Ich zitiere aus dem Zitat oben:

„Es kann daher nicht länger ausgeschlossen werden, dass es sich bei Erich Vad um einen zeitreisenden Experten handelt.“

Na bitte. Und vielen Dank, Weltgeist!

PS:
Eben fällt mir noch ein weiterer Zufall auf, nun allerdings „um einige Ecken entfernt“: In meiner Anthologie Das Monster im Park habe ich auch die Geschichte eines russischen Autors veröffentlicht, der in der heutigen Ukraine geboren wurde: in Dnjepropetrowsk. Er nannte sich seinem Heimatort entsprechend Anatolij Dneprow. Damals, 1941, wurde dieser Ort zum Standort meines Großvaters, des Regimentskommandeurs Major Karl Hertel. Als im Mai 1945 Deutschland kapitulierte, war Anatolij Dneprow (richtiger Name: Anatoliy Petrovych Mitskevitch) der Dolmetscher des sowjetischen Oberkommandierenden in Berlin. Seine Story „Die Insel der Krebse“ gilt als eine der besten und frühesten Visionen über Kybernetik und Künstliche Intelligenz.

Quellen
Anon: „Streiflicht“ (über General Vad). In: SZ Nr. 13 vom 17. Jan 2023, S. 01
Anvil, Christopher: Ware Games (Kriegsspiele). (1963 in Astounding SF). In: vom Scheidt 1970.
Dneprov, Anatolij: „Die Insel der Krebse“. (1958). In: vom Scheidt 1970.
Scheidt; Jürgen vom (Hrsg.): Das Monster im Park. München 1970 (Nymphenburger).
Pal, George (Regie): Die Zeitmaschine. USA 1960 (Metro Goldwyn Mayer).
Zemeckis, Robert (Regie): Zurück in die Zukunft II (Back to the Future II). USA 1985 (Universal).

287 _ #1486 _ 17. Jan 2023 / 19:46

Science-Fiction & Western – eine schräge Kombination

Zwischen den Jahren, also der „staaden Zeit“ zwischen Weihnachten und Heilig Drei König, empfiehlt man ja gerne, mal ganz entspannt alle Viere von sich zu strecken und zu tun, wozu man Lust hat. Für mich, der ich Filme über alles liebe, eine Gelegenheit, mal in eher versteckte Kammern der Kinowelten zu schauen. So sind die beiden folgenden Empfehlungen entstanden – denn diese Filme sind nicht nur jeweils als Western und als utopische Vision sehr gelungen, sondern außerdem in der Kombination beider sonst doch thematisch galaxienweit weit voneinander entfernten Genres.
Die Autoren und Regisseure sind ständig auf der Suche nach Neuem. So ist wohl auch die sehr „schräge“ Kombination vom ultramodernen, der Zukunft zugewandten Genre Science-Fiction mit dem doch recht betagten, aber immer noch sehr beliebten Genre des Western-Films zustande gekommen.

Abb 1: Cover zu Cowboys & Aliens (Blu-ray – DreamWorks Pictures) – Abb.2: Cover zu Prey (Disney+ Stream)

Schon länger kannte ich den ungemein spannenden Streifen Cowboys & Aliens, mit Daniel „James Bond“ Craig in einer Rolle der völlig anderen Art: Er spielt darin einen Cowboy, der im Jahr 1860 von Aliens entführt und gequält wird, dem es jedoch gelingt zu entkommen, allerdings um den Preis des Gedächtnisverlusts. Auf für einen Western typischen verwickelten Wegen gelingt es diesem Jake Lonergan, sich mit dem bärbeißigen Großgrundbesitzer Woodrow Dolarhyde (gespielt von Harrison Ford) zusammenzutun und dazu noch eine Bande früherer Banditenkollegen als Helfer zu gewinnen sowie einen ebenfalls von den Aliens heimgesuchten Stamm von Indigenen (früher hießen sie Indianer). Schon diese wüste Kombination von Ingredienzen macht das Ganze zu einer echten „Schau“.
Die Aliens wollen das Gold der Gegend und bereiten unseren Planeten wohl auch für eine spätere Übernahme vor. Genau das gilt es zu verhindern. Das ist alles sehr spannend gemacht und ergibt eine sehr gelungene Mischung der beiden Genres. (Weitere Details in der Wikipedia.)

Prey ist von der Grundidee des Genre-Mixes sehr ähnlich, ist aber völlig anders aufgebaut und ebenfalls exzellent inszeniert. Eigentlich ist das ein sog. Prequel zu einer bereits erfolgreich etablierten Film-Serie um die Predators, Aliens übelster Art, die auf anderen Planeten (unserer Erde und auf ihrer eigenen Heimatwelt) auf die Jagd nach Erdenmenschen gehen wie bei uns die einheimischen Jäger auf die Pirsch nach Rehen oder Hasen.
Im ersten Film dieser Reihe musste sich Arnold Schwarzenegger mit so einem Monster durch einen südamerikanischen Urwald prügeln, bis es ihm, dem erfahrenen Söldner, gelang, das eigentlich weit überlegene Ungeheuer aus dem Weltraum zu überlisten und erlegen. Im hier vorzustellenden und sehr zu empfehlenden Film ist es eine völlig andere Figur, die da auf ihre ganz spezielle Heldenreise gezwungen wird: Naru, eine junge Frau vom Stamm der Comanchen (exzellent und sehr anrührend gespielt von Amber Midthunder).
Wie sie zum einen in ihrer eigenen Umgebung darum ringen muss, als einziger weiblicher Jäger akzeptiert zu werden und dann zum anderen ihre ganze bisherige Erfahrung als Spurenleserin und Heilkundige in der Auseinandersetzung mit einem in jeder Hinsicht extrem überlegenen außerirdischen Gegner entwickelt – das ist unglaublich gut und überzeugend dargestellt. (Ich würde Naru ohne Zögern aufgrund ihrer Handlungen als Hochbegabte zu bezeichnen.)
Interessanter Nebeneffekt: Französische Büffeljäger, die ihrer Beute nur das Fell abziehen und – zum Schrecken von Naru – die blutigen Kadaver auf der Prärie liegenlassen, tun nichts andere als der Alien, der auch nur hinter Trophäen her ist.

Dem Regisseur Trachtenberg gelingt es nicht nur, diese junge Amazone und ihre Entwicklung als „Coming of Age“ überzeugend darzustellen, sondern auch ihren Stamm und die unglaublich eindrucksvolle Landschaft, in der diese Comanchen leben. Und ein packender Action-Thriller ist das sowieso.

Filmographie
Favreau, Jon (Regie): Cowboys & Aliens. USA 2011 (MGM ).
Trachtenberg, Dan (Regie): Prey. USA 2022. (Disney+ Stream).

187 _ #1490 _ 31. Dez 2022 / 19:20