Comix sind selten „komisch“

Wieder mal war der Zufall im Spiel aus Auslöser für diesen Beitrag: Ein Freund schickte mir den „Nachdruck für Sammler“ eines kleinen Comic, den ich als Jugendlicher gerne gelesen und gesammelt habe: „Nick der Weltraumfahrer“ (Danke, Julius!)

Der Anlass war, dass dieser Freund mir ein eigenes Buch zugeschickt hatte, zu dem er meine Meinung hören wollte und zugleich wusste, dass ich sowohl an Comix wie auch an Science-Fiction und drittens noch am Thema „Labyrinth“ interessiert bin (netter Bestechungsversuch!).

Abb. 1: Piccolo-Comic von Hansrudi Wäscher aus dem Jahr 1953 oder 1954 (Lehning-Verlag)

Nick der Weltraumfahrer wurde Anfang der 1950er Jahre im schmalen Piccolo-Format veröffentlicht, das man bequem mit sich herumtragen konnte (und gut versteckt – die Erwachsenen verfolgten solchen Schund mit Argusaugen). In der Episode 84 wagt Nick sich auf einem fernen Planeten in ein „Labyrinth des Schreckens“.
Was habe ich diese Geschichten in den schmalen Comix als Dreizehn- oder Vierzehnjähriger geliebt und natürlich auch gesammelt!

Später habe ich deshalb sogar selbst einige Drehbücher für Comix geschrieben:
° 1964 für die Heftreihe Fix und Foxi (Rolf Kaukas einst eine recht erfolgreiche deutsche Konkurrenz für die amerikanische Weltmarke Mickey Mouse) einige Abenteuer von Mischa im Weltraum.
° 1979 als Geschichte für ein Sammelalbum zum Schoko-Riegel Orion.: „Wie Ori und Ion ihre Heimat Astron retten!“ (diese Sammelbilder und das ganze Projekt gediehen jedoch über einen ersten Entwurf (s. Abb. 4) nicht hinaus – und in diesem Beleg sind weder mein Freund Alfred Hertrich als Zeichner noch ich als Autor namentlich genannt.

Die Mischa-Geschichten wurden später separat noch einmal gesammelt veröffentlicht, wodurch ich an einen Beleg kam (im Heft aber nicht als Autor genannt bin). Leider haben meine Kopien der Drehbücher und Heft-Belege diverse Umzüge nicht überstanden – aber das vorliegende Album „Konterbande auf der Venus“ dürfte aus meiner Schreibmaschine stammen.
(Die Zeichner, die damals in Kaukas Wohn- und Arbeitsvilla in Geiselgasteig am südlichen Rand von München malochten, stammten aus Jugoslawien – die Entwürfe von Willi Johanns, früher mein unmittelbarer Nachbar in der Heßstraße, hatten leider keine Gnade beim Herausgeber gefunden – schade, denn Willi hatte ursprünglich den Kontakt zu Kauka vermittelt. Im selben Jahr hatte er einige atmosphärisch dichte Illustrationen zu meinem dritten Roman Der geworfene Stein angefertigt, der zunächst im SF-Fanzine Munich Round Up vorabgedruckt wurde – s. Abb. 4, 5 und 6).

MultiChronalia

Meine Erfahrungen mit Comix gehen aber noch weiter zurück. 1948 lernte ich die allerersten Beispiele dieses uramerikanischen Kulturbeitrags kennen (für das viele Kulturpessimisten jener Tage allerdings vehement die Bezeichnung „Kulturgut“ verweigert hätten*), und zwar in Form von Superman-Heften, die mein Vater (der damals in Garmisch für die Amerikaner im Casa Carioca kellnerte) von Offizieren der Besatzungsmacht geliehen bekam.

* Ich erinnere mich noch, dass man damals die GI´s – wohl nicht ganz zu Unrecht – für Analphabeten hielt, weil sie „nur“ diese Bildergeschichten lasen. Aber das entsprach auch sehr dem Dünkel der Bildungsbürger, die sich allemal für „etwas Besseres“ hielten – gerade, weil sie nicht lange vorher von eben diesen „Analphabeten“ besiegt worden waren.

Dazu gesellte sich bald Prinz Eisenherz (Anfang der 1950er Jahre in der einstigen Frankfurter Illustrierten), Nick Knatterton ab 1950 in der ebenfalls längst obsoleten deutschen Illustrierten Quick (Autor und Zeichner der sehr beliebten Serie war Manfred Schmidt).

Tarzan von Hal Foster war sagenhaft schön gezeichnet und erschien im vierfarbigen Kupfertiefdruck ab September 1952 (bis September 1958) im Mondial Verlag in Hamburg. Die ersten zehn Hefte ließ ich mir beim Buchhändler Winterling in Rehau zu einem richtigen Buch binden. Leider lieh ich das meinem Schul- und Wohnnachbarn Otto P. – der sie mir nie wieder zurückgab. Diese Hefte sind heute Tausende von €uro wert.

Ich liebte solche gezeichneten Geschichten. Deren Urvater war bekanntlich Wilhelm Busch, flankiert von vielen nicht minder phantasiereichen Kollegen in den um 1900 äußerst beliebten Fliegenden Blättern (die ich um 1950 bei der Tante eines Klassenkameraden im Haus gegenüber in der Rehauer Bahnhofstraße entdeckte und begeistert durchschmökerte.)

Mein Faible für das Comic-Genre ging so weit, dass ich mit meinem zeichnerisch sehr begabten Freund Alfred Hertrich (ein Jahr älter als ich) 1953 eigene Comics zu entwickeln begann:

° eine Weltraum-Saga (sicher beflügelt vom utopischen Helden Fulgor und von Nick der Weltraumfahrer), von Alfred nach meinen Vorschlägen in vornehmer sepiafarbener Tusche in Bilder umgesetzt;

° und ein Dschungel-Abenteuer in Farbe (inspiriert von Tarzan und Bomba der Dschungelheld und einem weiteren Piccolo-Comic namens Akim, der Sohn des Dschungels).

Beide Projekte gerieten zwar über die ersten zwei, drei Seiten nicht hinaus – aber sie waren fraglos für mich die ersten erzählerischen „Gehversuche“, aus denen sich später Kurzgeschichten und dann sogar ab 1957 eigene Romane zu entwickeln begannen.

Als Erwachsener verlor ich die Comix aus den Augen – da waren „richtige gedruckte Bücher“ und Filme interessanter. Aber als die Asterix-Hefte erschienen und die exzellent gezeichneten Zukunftsabenteuer um den wagemutigen Helden Storm (deren Lektüre ich mit meinen Kindern teilen konnte), war ich wieder dabei – und dann natürlich dieser wunderbaren Alben mit Little Nemos Abenteuern!

Es ist eine unglaubliche Erfolgsgeschichte dieses Genres, dass daraus die unzähligen Superhelden-Blockbuster unserer Tage wurden – die ja fast alle aus den konkurrierenden Verlagshäusern DC Comics und Marvel Comics stammen. Wozu eigentlich auch das ganze Universum um die SF-Serie Star Wars gezählt werden muss, die sich den Umweg über die gezeichneten Comix sparten und von George Lucas gleich in enorm erfolgreiche Kino-Märchen umgesetzt wurden (zu denen später flankierend natürlich auch Comic-Hefte erschienen sind).

Ja, ja zugegeben – vieles davon war und ist „Kinder-Kacke“. Aber so wie frühere Generationen mit erzählten Märchen und Mythen aufgewachsen sind (die ja auch meine Kindheit begleitet haben), so sind diese üppigen Bilderwelten doch eine wichtige Stimulation unserer eigenen Phantasie und Kreativität geworden – und den vielen Mist, der sich darunter befand, kann man ja getrost vergessen. Und im Mittelalter um 1450 waren die üppigen Fresken in den Kirchen die biblia paupera – die Bilderbibel der Armen, die nicht Lesen und Schreiben konnten – fraglos Vorläufer der heutigen Comix.

Richtig „komisch“ waren die meisten der Comix allerdings nicht – von Asterix (und Tim und Struppi) mal abgesehen. Und das meiste davon, das „komisch“ daherkam, war wie bei Mickey Mouse und Donald Duck (und Fix und Foxi) doch sehr bemüht witzig.

Fasse ich all dies zusammen, so erscheinen mir die Comix in ihrer Mischung von Bebilderung und (sehr sparsamen) Texten mit den typischen Sprechblasen wie die ideale Mitte zwischen den reinen Büchern (die aber manchmal sehr schön illustriert waren) und den bewegten und vertonten Welten der Kinofilme meiner Kindheit und Jugend (Fernsehen gab es damals ja noch nicht) und bestens geeignet, sich zu eigenen Geschichten anregen zu lassen.

Und wenn man ganz weit zurückgeht in der Menschheitsgeschichte: Sind nicht die ersten Höhlenmalereien vor 40.000 Jahren so etwas wie Vorläufer der modernen Bildergeschichten – die allesamt viel „sense of wonder“ transportieren. –

Eben wird mir bewusst: Bei diesem Blog bemühe ich mich ja, möglichst immer passende Illustrationen beizusteuern. Sicher eine Art „Nachwirkung“ meiner intensiven Comic-Erfahrungen.

aut #1208 _ 19. März 2022 / 18:00

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