Kindliche Freude, mich gedruckt zu sehen

Bei diesem Buch, das heute bei mir eintraf und sehr zu empfehlen ist, handelt es sich um ein üppig und vielfarbig bebildertes Werk, das zugleich Bilder-Galerie und Kurzgeschichten-Anthologie ist. Der Künstler Rainer Schorm hat dazu 143 farbige (plus etliche schwarz-weiße) Bilder geschaffen – 24 Autoren aus der deutschen Science-Fiction- und Fantasy-Szene haben Stories zu einzelnen dieser Bild-Angebote verfasst.

Da ich selbst einer der Autoren bin, steht es mir nicht an, das Buch zu rezensieren. Hier im Blog kann ich es jedoch uneingeschränkt empfehlen – schon wegen der wirklich beeindruckenden Bilderfülle und der liebevoll vom Herausgeber Jörg Weigand und dem Verleger Michael Haitel zusammengestellten Gesamtschau. Sogar ein rotes Lesebändchen hat man dem Werk spendiert – heutzutage eine große Seltenheit.

Was ich jedoch als Autor einer der Geschichten („Erster Kontakt“) hier im Blog gerne tun will, ist kurz auf die Entstehungsgeschichte meiner eigenen Story einzugehen. Die Ausgangslage war ja für alle Autoren gleich: Uns wurden die insgesamt 143 Bilder von Rainer Schorm angeboten – daraus sollten wir das eine oder andere auswählen und dazu eine Geschichte verfassen. Das ging bei mir recht flott: Ich fand sofort drei Bilder (die auch noch „frei“ waren) und begann, einen Plot zu entwickeln. „First Contact“ ist ein Topos, der mich schon in meinen allerersten Versuchen fasziniert hat: Wie könnte das aussehen, wenn Erdenmenschen und Außerirdische auf einander treffen?
Die Science-Fiction hat dafür, wenn ich es recht sehe, überwiegend negative, also kriegerische Antworten parat – vor allem in Filmen wie Independence Day wird das geradezu exemplarisch gefeiert: Denk dir ganz besonders fiese Aliens aus – und mach sie dann platt – weil die ja so fies und aggressiv sind: mörderische Invasoren, die uns arme hilflose Erdling vernichten wollen! (Dass es sich, tiefenpsychologisch gesehen, wohl eher um die Projektion der eigenen Aggressivität auf die Aliens handelt – darüber kann man ja mal nachdenken.)

Ich hatte diesbezüglich schon immer eine andere Vorstellung – die auf meinem Wissen über die Geschichte der Menschheit basiert. Denn ja: Wir haben uns immer wieder in schrecklichen Kriegen dezimiert – aber es würde uns längst nicht mehr geben, wenn wir (die meisten von uns Erdlingen jedenfalls) nicht überwiegend kooperativ und neugierig auf „Fremdes“ wären und Vorurteile und Projektionen der eigenen seelischen Abgründe auf die Fremden (Aliens!) nicht zurücknehmen und korrigieren würden. Was letztlich darauf hinausläuft – dass die „Liebe“ tatsächlich eine Art „Himmelsmacht“ ist. Wem das jetzt kitschig vorkommt – geschenkt. Meine Story „Erster Kontakt“ im vorliegenden Band ist jedenfalls nicht zufällig auch so etwas wie eine Liebesgeschichte geworden.

Aber eigentlich wollte ich etwas ganz anderes erzählen: Dass es mir nämlich einen Heidenspaß gemacht hat, die in der Story erwähnte Anzeige im Mai-Heft 2020 der Zeitschrift brand eins (die ja der Auslöser des geschilderten Geschehens ist) tatsächlich zu schalten: „Außerirdische suchen ersten Kontakt mit Erdenmenschen“. Außerdem machte es mir diebische Freude, das Auswählen der drei Bilder von Rainer Schorm aus der Fülle des Gesamtangebots zu einem integralen Teil der Handlung meiner Geschichte zu machen.

Und ist es nicht ein schöner Zufall – dass das Titelbild der Anthologie gleichzeitig das Einstiegsbild meiner Kurzgeschichte ist?

Langer egozentrischer Rede kurzer Sinn: Ich hatte selten so viel Spaß beim Schreiben einer SF-Story und entsprechend groß war meine Erwartungsfreude, als ich heute das Paket mit dem Belegexemplaren und den zusätzlich (als willkommene Geschenke für die Weihnachtszeit) von der Poststelle abholte, wo der DHL-Lieferdienst sie abgegeben hatte – weil ich das Klingeln an der Tür überhörte. Was bedeutete, heute zwei mal fünfzehn Minuten mit dem Fahrrad durch München zu fahren, also für das Päckchen ordentlich zu „arbeiten“. Umso großer dann (wie am Heiligabend, wenn es in der Kindheit ums Beschenktwerden ging) die geradezu kindliche Freude, die Bücher auszupacken, vom ersten Exemplar die Folie abzuziehen und im Inhaltsverzeichnis nach „meiner“ Story zu suchen (S. 70 folgende) und sie dann genüsslich zu lesen –

Ich kann nicht verhehlen, dass dies nach wie vor eine unüberbietbare Freude auslöst, ja richtige Glücksgefühle (mit echten Endorphinen überall im Gehirn!): Sich selbst gedruckt zu lesen. (Ein Lügner ist jeder Autor und jede Autorin, die behaupten, dass dies bei ihnen anders ist.) Diese Freude übertrug sich dann auf die Lektüre des Vorworts von Jörg Weigand und auf sein Interview mit Rainer Schorm am Schluss des opulent ausgestatteten Bandes. Die 23 Geschichten der 23 anderen Autoren werde ich mir, wie die Pralinen einer großen Bonbonniere, in den kommenden Tagen nach und nach zu Gemüte führen und freue mich schon jetzt darauf. Die erste Geschichte, „Sonnenkuss“ von Rüdiger Schäfer, hat mir schon ausnehmend gut gefallen in ihrer Verquickung von allzumenschlicher Gegenwart einer Liebesbeziehung und noch recht weit in der Zukunft liegender Technologie.

Multichronalia

Diese Freude bei der ersten Lektüre einer eigenen Geschichte in gedruckter Form habe ich schon immer erlebt. Geschichten schreiben, noch dazu Science-Fiction, ist eher eine prekäre Tätigkeit, bei der man nicht viel Geld verdient und solche „Gedruckwerden-Freuden“ das eigentliche Honorar sind (was die Verleger leider auch sehr genau wissen). So viel zur „Selbstvergewisserung“, die man als Autor mit jedem gedruckten eigenen Text erlebt.
Ich weiß natürlich nicht mehr genau, wie das 1956 war, als meine erste SF-Story „Nur ein kleiner Fehler“ im damaligen Utopia-Magazin veröffentlicht wurde. Dass dies auf jeden Fall ein ganz besonderes Ereignis war, sieht man daran, dass ich nicht nur ein Exemplar dieses Heftes in meiner Bibliothek über inzwischen sieben Jahrzehnte gerettet habe – sondern auch den Abschnitt der Zahlungsanweisung, die damals einige Wochen später der Postbote mit den zehn D-Mark Honorar an mich übergab (oder mit hoher Wahrscheinlichkeit an meine Mutter, denn ich war da wohl in der Schule). Die Freude angesichts „meiner Story“ in gedruckter Form war damals jedenfalls sicher nicht geringer als heute im Jahr 2021 mit dem neuesten Produkt „Erster Kontakt“.

Und hier das Inhaltsverzeichnis der Geschichten:

Abb. 3: Die 24 Geschichten der Anthologie Fantastische Wirklichkeiten

Bleibt noch zu ergänzen, dass es mich doppelt freut, dass diese Anthologie mit dem Club-Siegel des SFCD versehen ist und sich mit dem Reihentitel „Andro SF“ an den Titel der Clubzeitschrift „ANDROmeda“ des Science Fiction Club Deutschland anlehnt – wo im September 1955 meine allerallerallererste Geschichte veröffentlicht wurde: „Denn sie bewegt sich doch“.

Was das Honorar angeht: Für den Abdruck in Andro gab es damals nichts (außer der großen Ehre natürlich, als fünfzehnjähriger Autor vom Club-Präsidenten und Andro-Herausgeber Walter Ernsting alias Clark Darlton erstmals ernst genommen und gefördert und ermutigt zu werden). Für die nächste Story wurden dann die erwähnten 10 D-Mark angewiesen. Ob es für „Erster Kontakt“ ein Honorar geben wird – keine Ahnung.  Die Kleinanzeige in brand eins hat mich 392,70 € gekostet – das war mir der Spaß wert, meine in die Zukunft weisende SF-Story in der Gegenwart „hier und jetzt“ von 2020 zu verankern (und zugleich Werbung für meine Schreib-Seminare zu machen).

Bibliographie
Weigand, Jörg (Hrsg.): Fantastische Wirklichkeiten. Die Bilderwelten des Rainer Schorm. Winnert Sep 2021 (Verlag p.machinery / Andro SF).

aut #1155 _ 14. Okt 2021/12:45

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