Meine politische Position?

(Ab und zu überarbeite und ergänze ich einen älteren Beitrag. Er wird damit zu dem, was ich „WanderPost“ nenne – weil er von einer chronologisch in diesem Blog älteren Position in eine aktuelle hochwandert – und nach einer Weile wieder zurück. Die aktuelle Wahl in Sachsen-Anhalt ist so ein Anlass.)

Politisch sehe ich mich links von der Mitte. Das entspricht recht gut dem Hintergrund der Süddeutschen Zeitung, die ich seit meinem Studium (also ab 1959/60) regelmäßig lese und die meine Einstellung sicher nachhaltig geprägt hat in diesen sechs Jahrzehnten. Nicht zufällig habe ich für die SZ in meiner aktiven Zeit als Journalist mehr als für jedes andere → Medium publiziert: Wenn meine Datenbank es korrekt verzeichnet, waren das 69 Artikel zwischen 1970 und 1992 und in jüngster Zeit anlässlich des Lockdowns in der Corona-Pandemie ein 70. Text noch obendrauf: → Dank, verdammte Mutanten.

Man sagt ja den Freimaurern nach, dass in ihren Räumen grundsätzlich nicht über Politik und nicht über Religion geredet wird und schon gar nicht über „Geschäfte„. (Worüber soll man dann reden? frage ich mich – über Wissenschaft und „gute Werke“?) Nun, ich bin kein Freimaurer*. Ich halte gerade politische Themen für sehr wichtig und nehme deshalb hier im Blog auch kein Blatt vor den Mund.
Auch über Religion werde ich das sagen, was meine Meinung ist (und diese mit Argumenten und Erfahrungen begründen).
Und „Geschäfte“ – also der berufliche Hintergrund – die gehören doch auch dazu . Weshalb ich mich nicht scheuen werde, gelegentlich auch direkt oder versteckt Werbung für meine Schreib-Seminare zu machen – wie eben jetzt: Details auf meiner Seminar-Website → iak-talente.de. Es ist doch keine Schande, einen Beruf auszuüben und darüber sich auch zu äußern, noch dazu in einem Blog – also einem „öffentlichen Tagebuch“.

* – obwohl ich da eine Tradition anknüpfen könnte, in die mein Urgroßvater Ferdinand Naumann um 1890 eingetreten ist – worüber er in seinem Tagebuch vorher einiges schrieb – aber nach dem Eintritt kein Wörtchen mehr – Schweigegebot!).


Wie meine politische Meinung entstanden ist

Schon von Kindheit an muss mich die Auseinandersetzung (oder mehr noch: das „sich nicht auseinandersetzen“) mit der Nazi-Diktatur beschäftigt haben, wenn auch zunächst eher unbewusst und beiläufig. Dazu bekam man einfach zu viel mit von dem, was die Erwachsenen so redeten (oder bedeutungsvoll verschwiegen). Da ich viel gelesen habe, wurde ich in meinen Lektüren zwangsläufig mit dem ganzen politischen Spektrum konfrontiert. Das verstärkte sich nachhaltig während des Studiums und dann durch die intensiven Einflüsse der 68er Generation (der ich ja qua Geburt angehöre). vor allem sobald man Kinder bekommt, muss man viele Entscheidungen treffen, die eminent politisch sind: Beim Erziehungsstil beginnt das (autoritär? oder anti-autoritär? oder etwas Praktikables in der Mitte dieser beiden Extremen?) Wann soll man, darf man, muss man Kinder abstillen? Wie soll die „Sauberkeitsdressur“ aussehen? Impfen lassen – oder nicht impfen lassen?

Das sind alles eminent politische Entscheidungen.

Wie meine politische Einstellung genau entstanden ist, hat wie bei jedem Menschen viel mit meiner familiären Herkunft zu tun – die sich zum Glück gewandelt hat: Mein Vater war in seinen jungen Jahren ein strammer Nazi, der sich nach dem Zweiten Weltkrieg zum SPD-Wähler gemausert hat. Als freiberuflicher, selbständiger Handelsvertreter wäre eigentlich die FDP „seine“ Partei gewesen.

Mein Großvater Karl Hertel, vielleicht noch einflussreicher als männliches Vorbild für mich, war Architekt und Bauunternehmer. Auch für ihn wäre die FDP die passende Partei gewesen (die aber in der frühen Zeit der Bundesrepublik noch sehr „kontaminiert“ war durch viele alte Nazi, die dort eine neue Heimat fanden – bis Leute wie Genscher und Hamm-Brücher dafür sorgten, dass diese Braunfärbung verschwand). Großvater hat wohl CSU gewählt – die seit dem Ende der Nazi-Diktatur in Rehau enorm erfolgreich war und den Ort auch hervorragend verwaltet hat – bis heute. Warum sollte man dann die SPD wählen – obwohl die in Helmut Rothemund einen äußerst tüchtigen (promovierten) Landrat aufzuweisen hatte, der bei den bayrischen Landtagswahlen 1978 und 1982 sogar Spitzenkandidat seiner Partei in Bayern wurde. Aber die „Sozis“ zu wählen wäre für diesen Patriarchen Hertel undenkbar gewesen – wo der doch bei den Umzügen der Gewerkschaft am 1. Mai verärgert die Fenster schloss und die Vorhänge zuzog.

Ich selbst war, bis auf zwei Jahre als Angestellter in zwei Verlagen (1968 Redaktion Jasmin und 1969 Lektorat der Nymphenburger Verlagshandlung) immer Freiberufler oder (wie man das heute nennt) „Solo-Selbständiger“. Deshalb war zwei oder drei Mal die FDP meine passende Wahl (beim dritten Mal, weil sie in München eine Frau nominiert hatten, was mir dank des Einflusses meiner zweiten Frau Ruth immer wichtig war).

Aber meine allererste Wahl, an die ich mich erinnern kann, war 1964 die SPD – nicht zuletzt durch den Einfluss meines Vaters, aber auch dank einer eindrucksvollen Rede von Willi Brandt in Nürnberg unter der Burg. Sobald 1980 die Grünen auftauchten, an deren → Gründungsphase ich sehr aktiv dabei beteiligt war, wählte ich diese neue Gruppierung. Als die mir jedoch zu „links“ wurde (= dogmatisch und extrem kapitalismuskritisch), engagierte ich mich eine Weile bei der ÖDP (immer unbedeutend in Bayern – aber mit der großen zivilisatorischen Leistung, das Rauchverbot in öffentlichen Einrichtungen initiiert und erfolgreich durchgesetzt zu haben).
Sogar mit der CSU habe ich mal kurz geliebäugelt – naja, man darf sich ja mal irren, schon gar, wenn man die berüchtigte Spez´l-Wirtschaft, die Amigo-Affairen, einen polternden Atom-Strauß (ich erinnere nur an Wackersdorf!), einen Kruzifix-Söder und manche andere ewig-rückwärts gewandten Zeitgenossen, die Frauenfeindlichkeit und das pseudo-christliche und pseudo-soziale Gehabe großzügig übersehen könnte und gerne mal bei den ewigen Wahlgewinnern in Bayern dabei wäre – nein!

AfD – oder die Linke? Die einen sind mir viel zu „rechts“ (und vor allem viel zu sehr „gegen“ alles Mögliche, was mir wichtig ist) – die anderen zu „links“ (mit ihren Altlasten aus PDS- und DDR-Zeiten – obwohl mich Gregor Gysi und Sarah Wagenknecht immer noch beeindrucken – sie haben ja echt was zu sagen.)
Bei der AfD stören mich drei ihre politische Positionen ganz besonders:
° Dass der Mensch als Verursacher und Beschleuniger des Klimawandels geleugnet wird.
° Die menschenverachtende Behandlung des Themas „Flüchtlinge“.
° Die überall durchschimmernde und explizit verkündete Fremdenfeindlichkeit. –

Man sieht – ich bin der typische moderne Wechselwähler. Was ich nie war und nie sein werde, ist der politikverdrossene Nichtwähler – der die anderen die Arbeit machen lässt und sich dann murrend und knurrend darüber beschwert, dass „die“ es anders machen als man selbst es gerne hätte – vom geifernden Hass gegen „Andersgläubige“ in den Social Media mal ganz abgesehen.

Abb: Meine politische Position entspricht ungefähr jener der Grünen (Archiv JvS)

Nachtrag 07. Juni 2021

Das Wahlergebnis in Sachsen-Anhalt ist (für mich) zugleich beruhigend und beunruhigend:

°Beunruhigend finde ich, dass die CDU zwar mit 37,1% deutlich mehr Stimmen als die AfD (20,8) erzielt hat, aber diese in ihren Zielen und Aussagen höchst problematische AfD hat m.E. viel zu viel Gewicht – auch wenn sie noch so klar die (ja durchaus berechtigte) politische Stimme vieler Menschen ist, die sich bei den Alt-Parteien nicht mehr verstanden fühlen. Den Grünen hätte ich ein besseres Ergebnis gewünscht.

° Aber es ist doch insgesamt beruhigend, dass die bürgerlichen (= demokratie-freundlichen) Parteien deutlich, nämlich fünfmal so viel Stimmen auf sich vereinigen wie diese rechtslastigen und ewiggestrigen Polterer von der AfD. Wobei ich Die Linke mal großzügig trotz ihrer DDR- und SED-Vergangenheit mit ins bürgerliche Lager rechne.

Da müsste schon Schlimmes passieren, dass die AfD mal wirklich politisches Gewicht und entsprechende Macht bekommt. So wie die Dinge liegen, werden sie jedenfalls noch auf viele Jahre hinaus der nötige politische „Stachel im Fleisch“ der anderen Parteien sein und den Willen zu einem demokratischen Miteinander sehr lebendig und wach erhalten!

(S. zur Ergänzung auch → Die fragwürdige Rolle der Alt-Parteien .)

<185> _ aut #919 _ 2021-06-07 <2021-05-03/16:16>

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