Fingierte Leserbriefe für den „Playboy“

Im Beitrag Der Heilige Geist und die UFOs (den ich 1978 für das Männer-Magazin Lui verfasste) habe ich so nebenbei erwähnt, dass ich einst für die Konkurrenz, den Playboy, „getürkte Leserbriefe“ gedrechselt habe. Das sollte ich vielleicht mit diesem ergänzenden Beitrag hier etwas näher beleuchten.

Da wäre zum einen das Adjektiv „getürkt“ – das sagt man heute besser nicht mehr (so wie man ja auch den Begriff „Neger“ in der Filmbranche nicht mehr verwendet, der irgendwas mit der Beleuchtung zu tun hat bzw. hatte). „Getürkt“ meinte nichts anderes, als dass einem da etwas vorgegaukelt wird*.

*Das rührt von jenem als „Türken“ verkleideten (kleinwüchsigen) Schachspieler her, den von Kempelen in seinem genial ersonnen Schachspielautomaten versteckte und der dort heimlich die Figuren bediente – während man dem Publikum vorgaukelte, dass der – oben am Spieltisch sichtbare – „Maschinenmensch“ das Spiel vorantrieb (Details in der Wikipedia unter Schachcomputer.)

Abb: Keine Ahnung, ob der Playboy auch heute noch Leserbriefe veröffentlicht. Sollte ich mal recherchieren. Der obige Ausriss stammt vom August-Heft 1976, als ich einige echte Leserbriefe beantwortete und etliche „fiktive“. (Archiv Jvs (c) Playboy)

Und was hat es mit diesen „fingierten“ Leserbriefen auf sich?

Das ist eine etwas kompliziertere Geschichte. Begonnen hatte es mit einem Auftrag des Playboy, zusammen mit einem seiner Redakteure (Klaus Hartl) den Freiburger Parapsychologen Prof. Hans Bender zu interviewen. Der Playboy ist nicht nur für seine Nacktfotos bekannt – sondern eigentlich noch mehr für diese sehr umfangreichen und wirklich hochwertigen Interviews (so war das jedenfalls früher so – ob das heute noch so ist, kann ich nicht beurteilen).

Hartl (der später unter dem Pseudonym „Philipp Vandenberg“ ägyptologische Sachbücher veröffentlichte) und ich befragten Bender sehr ausführlich – rund vier Stunden, auf Tonband mitgeschnitten. Das Gespräch wurde zwar transkribiert, jedoch nie veröffentlicht, weil Bender zu viele Abänderungen wünschte – die leider die für das Magazin „interessantesten“ Themen betrafen. Er hatte sehr offen geredet, zum Beispiel über seine LSD-Erfahrungen und die Beziehung zu seiner Mutter. (Er starb am 10. Mai 1991 – deshalb gestatte ich mir diese Indiskretion.)
Aus dieser kurzen Zusammenarbeit ergab sich ein interessanter Folge-Auftrag für mich: Man bat mich, Beiträge zur Leserbriefspalte des Playboy zu liefern. Diese Briefe sollten sich natürlich alle mit „Männer-Themen“ befassen, wie sie im Magazin selbst behandelt wurden. Es gab einige interessante Anfragen von Lesern – die auch entsprechend von mir beantwortet wurden (im etwas ironisch-abgehobene Stil, der im PB üblich war). Aber es gab zu wenig solcher Anfragen, um die Spalten des „Playboy-Berater“ zu füllen. Also suchte ich mir interessante Themen (gewissermaßen die „Antworten“) – und formulierte dazu erfundene Leseranfragen. Dieser eigentlich recht interessante, aber auf Dauer doch etwas anspruchslose Nebenbeschäftigung lief von 1974 bis 1976; dann gingen mir die Ideen aus, und ich beendigte das.
Über eine völlig andere Schiene wäre ich beinahe mit einer meiner Science-Fiction- Kurzgeschichten ins Heft gekommen. Ich weiß nicht mehr genau, wie das ablief (ist ja eine Weile her – gut 40 Jahre). Aber irgendwie war der Playboy-Redakteur Hans-Rüdiger Leberecht auf diese Geschichte gestoßen (vielleicht hatte ich sie sogar selbst der Redaktion geschickt?). Er kannte mich von meinem Jahr (1968) bei der Zeitschrift Jasmin, wo er die „rechte Hand“ von Will Tremper gewesen war, einem der vier stellvertretenden Chefredakteure. Leider hörte ich nach dieser Anfrage nichts mehr – was ich heute noch bedauere: Mit einer Story im Playboy zu landen, der für seine Kurzgeschichten so berühmt war wie für seine ungewöhnlich langen und interessanten Interviews (und natürlich für den Folder mit den nackten Frauen).
Das wär schon was gewesen – fast so ein Hit wie im berühmten SF-Magazin Astounding Science Fiction (später: Analog SF) gedruckt zu werden. Auch letzteres ist mir leider nicht gelungen (dafür hat das britische SF-Magazin SF Monthly meine „Blindheit“ in der englischen Fassung abgedruckt).
Diese Geschichte mit dem Titel „Zurück von den Sternen“ hat später das deutsche SF-Magazin 2001 veröffentlicht.

Vier dieser Leserbriefe aus meiner Werkstatt finden Sie unter Viermal guter Rat für Spieljungen hier im Blog.

Scheidt, Jürgen vom (Pseudonym: Stefan Bergmann): „Zurück von den Sternen“. In: 2001 / September (Erstabdruck unter dem Titel „Liebe 82“ in Munich Round Up, August 1962).

186 _ aut #175 _ 2021-05-01/13:01

2 Kommentare zu „Fingierte Leserbriefe für den „Playboy“

    1. Interessanter Link zum „Türken bauen“! Mir gefällt der mit dem Schachautomaten auch am besten.

      Jetzt weiß ich endlich auch, was eine „amerikanische Nacht“ ist – fand ich in der Wikipedia. Ich dachte erst, das ist – passend zum „French Kiss“ – ein „One Night Stand“. Was die Phantasie alles so heranspült.

      Gruß JvS

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