Verführerische Prokrastination

Nein, das ist keine Geliebte, diese „Prokrastination“ – sondern nur das Fachwort für das, was ich heute den ganzen Tag gemacht habe: Statt meinen Newsletter für Februar endlich zu schreiben und druckreif zu machen (wir haben heute den 01. März!), habe ich das wieder auf die sprichwörtliche „lange Bank“ geschoben, wo der NL einen weiteren Tag in der Pipeline schmort. Aber dieses „Schmoren“ tut ihm vielleicht ganz gut, lässt den Braten gar werden – oder den Text reifen. Vielleicht weiß man Gehirn-als-Ganzes (all diese mit einander verknüpften neuronalen Netze) besser als mein „bewusstseinsenges Ich“, wann der Newsletter dran ist.

Ich hatte jedenfalls einfach keine Lust dazu (und das ist sinngemäß die Übersetzung von „Prokrastination“) – wohingegen ich große Lust hatte, im Blog zu arbeiten. Und so sind eben statt der dritten Folge „Therapeutische Effekte des Schreibens“ für den NL drei Beiträge zum Thema „Lyrik schreiben und speziell Haiku“ entstanden. Und das hat ja auch etwas Heilsames, jedenfalls für mich – und vielleicht auch für Sie, die oder der Sie das lesen. Warum sonst sollte man Gedichte schreiben oder goutieren? Sie müssen einen heilsamen Effekt haben. Den nur wegen der Informationen liest niemand Lyrik – dafür gibt es Sachtexte. Und sehr unterhaltsam sind Gedichte auch nicht (wie eine spannende Kurzgeschichte oder ein Krimi). Was bleibt – als dritte Qualität? Genau: Das Therapeutische. Wie ein guter Songtext kann ein Gedicht einen aus einer melancholischen Stimmung rausholen. Wie wär es damit:

Eins zwei drei
In der Bäckerei
hat der Teufel hingeschissen
mitten aufs Paradekissen
Keiner hat´s geseh´n
Und du kannst geh´n.

Ein köstlicher Abzählvers, bei dem ich heute noch schmunzeln muss. Als Kinder wussten wir zwar, was eine Bäckerei ist – aber was war denn ein Paradekissen? Auch was dieser Teufel sein könnte – da hatten wir ebenfalls nur sehr vague Vorstellungen – dass der nämlich „ganz doll böse ist“.
Obwohl: Im Luftschutzkeller habe ich im Mai 1945, als die Amerikaner in Rehau einrückten, vor Angst geschlottert – bis meine Lieblingstante Lis (der es wohl nicht anders gegangen ist) auf die großartige Idee kam, mit mir „Teufelsgroßmutter (das war sie) und klaans Deifala“ zu spielen (das „klaaene Deifala“ war ich). Ich wusste also sehr wohl, was ein Teufel ist und das Märchen vom „Teufel mit den drei goldenen Haaren“ (wieder mal die drei!) kannte ich auch, weil es mir vorgelesen wurde. Dort ist erstaunlicherweise die „Teufelsgroßmutter“ die Gute, die dem Mann, der unbedingt diese „drei goldenen Haare“ braucht, zu seinem Schatz verhilft. Eigentlich doch eine sehr positive Geschichte. Und ein Gottseibeiuns, den man so leicht reinlegen kann – der ist doch auch etwas Positives, oder?
(Das ist übrigens eine der großartigsten Geschichte, die ich jemals gelesen habe, in einer frischen, ja modernen Sprache. Wenn Sie das Märchen nicht kennen sollten: Unbedingt lesen. Diese sechs Seiten sind besser als das meiste, was heutzutage auf den Markt kommt, all dieser „getretene Fantasy-Quark“, bei dem nur unaufhörlich alten Wein in neue Schläuche umfüllt wird! Dieses Grimm´sche Märchen, niedergeschrieben in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, bald nach 1800, und sicher viel älter, steckt sie alle in den Sack. Das gehört ins Weltkulturerbe – so sehe ich das jedenfalls.)

Den Februar-Newsletter schreibe und versende ich morgen. Versprochen.

Was? Sie haben ihn noch nicht abonniert – mit all diesen interessanten „Themen rund ums Schreiben und Publizieren“? Dann wissen Sie ja auch gar nicht, was ich für interessante Schreib-Seminare anbiete! Hier ist schon mal der Link zum Programm-Katalog mit allen wichtigen Details.
Den Newsletter können Sie ganz einfach und gratis abonnieren, indem Sie mir eine Mail schicken: jvs@hyperwriting.de

Guten Abend. Und interessante Träume (angenehm sind sie selten), aus denen Sie vielleicht ein Haiku destillieren können: Fünf – sieben – fünf Silben – in drei Zeilen.

aut #557 _ 01. März 2021 / 19:34

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