Ich habe in meinem Curiositäten-Kabinett ein hübsches passendes Symbol für Beiträge in diesem Blog gefunden, die sich speziell mit MultiChronie befassen: Ein kleines Schieferstück mit dem Abdruck eines Ammoniten, den ich vor gut 45 Jahren während eines Besuchs der berühmten Fundstätte bei Eichstätt auf der jedermann zugänglichen Schutthalde mit Trümmerresten der große Ausgrabungen gefunden habe – jener Glücksfunde, wie dem großartigen Archaeopterix, der jetzt in der Paläontologischen Sammlung zu München in der Wagnerstraße zu bewundern ist.

Der Ammonit ist etliche Millionen Jahre alt. Schätzen wir mal, er stammt mir zuliebe aus dem Jahr 3.333.333 v.d.Z.
v.d.Z. = „vor der Zeitenwende“ deshalb, weil ich das herkömmliche „v.Chr.“, also „vor Christus“ – nicht mehr so gerne benütze, das wir seit Schulzeiten gewohnt sind. Denn es schließt alle anderen Kulturen auf unserem Planeten aus, die vor dieser Zeitenwende die Welt geformt haben: die indische und die chinesische Hochkultur, die der nordamerikanischen Indianer-Ureinwohner, der mittel- und südamerikanischen Inka, Maja und Azteken. Die längst versunkenen Hochkulturen der Hethiter, der Ägypter und Römer der Antike und der Griechen jener Zeit, der Israeliten – also all jene Kulturen, auf deren Trümmerresten wir in Europa „n.Chr.“ mehr oder minder gewalttätig unsere eigenen Gebäude errichtet haben, von deren Glorie wir heute zehren.
„Vor der Zeitenwende“ trifft es ja immer noch sehr Jesus-mäßig – denn sein Erscheinen, real oder fiktiv, markiert in der Tat eine Zeitenwende.
Ach so – vergessen habe ich bei der Aufzählung eben die afrikanischen Hochkulturen der Yoruba (den Benin-Bronzen erinnern daran) und der vielen anderen schwarzafrikanischen Völker in Mali, Timbuktu, in den Oasen – die großartigen Stammeskulturen der Berber und der Beduinen und anderer Wüstenvölker.
Oder die Zivilisation Aborigines in Australien, die dort seit gut 50.000 (vielleicht sogar schon seit 70.000 Jahre) leben und heute noch ihre alten Mythen und Riten von den Traumpfaden bewahren – und wohl das einzige lebende Bindeglied zu jener Zeit sind, als die Cro Magnon, unsere Ur-Vorfahren, vor 40.000 Jahren in den Höhlen Spaniens und Frankreichs und Indonesiens diese großartigen Höhlenmalereien schufen, die wir heute bewundern.
Reste des Neandertalers, jenes etwas robusteren und ausgestorbenen anderen Vorfahren, lassen sich immerhin noch in unseren Genen nachweisen. Und vielleicht stammen die meisten von uns ja von jenem namenlosen Mann um die 40 ab, der vor 5.300 Jahren am Hauslabjoch umkam und zur Gletschermumie „Frozen Fritz“ alias Ötzi wurde, oben an der Grenze von Norditalien und Österreich beim Similaun-Gletscher.

Ein Ammomit als übergreifendes Symbol für Multichronizität
Da müsste man viele — „50-Jahres-Schritte“ machen, um all dem nachzugehen, was da historisch und naturwissenschaftlich, aber auch psychologisch aufscheint.
Ich denke, der Ammonit ist ein sehr passendes Symbol für all diese Zeitschichten, die da multichronal zusammenkommen. Füge ich dieser kollektiven „MultiChronizität“ noch die Spuren meines eigenen Lebens hinzu, rundet sich dieser versteinerte Rest eines vor Jahrmillionen durch die Weltmeere treibenden Lebewesens (und damit Vorfahren von uns allen) vollends zum übergreifenden Symbol:
Etwa 1975 fand ich bei Eichstätt diesen Ammoniten. Für die alten Hochkulturen interessiere ich mich seit 1948, als ich in den Schundheftchen mit den Abenteuern von Sun Koh, dem Erben von Atlantis erste Bekanntschaft mit ihnen schloss . Das war lange vor dem offiziellen Geschichtsunterricht, der 1953 mit Fräulein – (eigentlich Dr.) Barbara Wiendl (deren ich stets mit großer Dankbarkeit verbunden sein werde) in der Oberrealschule Selb in der Dritten Klasse begann und einen wichtigen Vorläufer in C.W. Cerams inspirierendem Sachbuch Götter Gräber und Gelehrte hatte, das ich 1952 mit glühenden Wangen verschlang – wobei ich unter anderem die Labyrinth-Sage entdeckte mit dem „roten Faden der Ariadne“ und manches manches manches mehr, das meinem Leben bis heute das kulturelle und zivilisatorische Fundament verleiht –
– jenes Fundament, das all diesen armen AfD-Wählern und sonstigen geschichtsblinden Kümmerlingen unserer Gegenwart von 2021 abgeht.
Quellen
Ceram, C.W.: Götter Gräber und Gelehrte – Roman der Archäologie. (1949) . Hamburg 1951 (Rowohlt).
Müller, Paul Alfred (alias Lok Myler) : Sun Koh – der Erbe von Atlantis. (Leipzig 1933_Bergmann). Neudruck Lüneburg 2015 (Dieter von Reeken).
137 – aut #573 _ 2021-03-18/11:00
Da auch die Suchmaschine mir jegliche Auskunft zu „Multichronie“ oder gar „Multichronizität“ verweigert, bin ich vielleicht entschuldigt, wenn ich sage, dass ich mich diesem Begriff erst noch vorsichtig nähern muss. Was nun den Herrn Ötzi betrifft, so hat der Bayrische Rundfunk 2013 ein sehr ansprechendes Feature gebracht (Reise durch das Valpolicella – Ötzis Klingen), das ich mir immer wieder einmal mit Vergnügen anhöre. Dass der Mensch sich so wenig verändert hat, ist so traurig – und so beruhigend.
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