Akronym – das ist zunächst ein Kunstwort, das von den griechischen Wörtern akros = Spitze (wie in Akropolis = „An der Spitze (am Anfang) der Stadt [Athen] stehend“) und nomos abgeleitet wird. Es kann frei übersetzt werden mit: „Wort, das aus den Spitzen (Anfängen) anderer Wörter gebildet wird.
ATTACK ist ein wunderbares französisches Exemplar: Association pur une taxation des transactions financières pour l´aide aux citoyens (franz. für „Vereinigung zur Besteuerung von Finanz-Transaktionen zugunsten der Bürger“) – da steckt in der „Attac-ke“ gleich noch die Wut der in dieser NGO (Non governmental Organication) verbündeten Aktivisten.
(Weitere Beispiel im Beitrag Akronyme, die „sprechen . )
Man kann es aber auch anders machen: Ein Wort nehmen und zu dessen Anfangsbuchstaben neue Wörter bilden – die man in einem nächsten Schritt zu einem kleinen Text verbindet – möglichst minimalistisch, also mit wenig zusätzlichen Füll- und Verbindungswörtern oder Verben.
Hier möchte ich ein daraus von mir entwickeltes Schreib-Spiel vorstellen. Ich nenne es das Akro-Spiel. Es eignet sich gut für die Anfangs-Phase eines Schreib-Seminars, wo es ums Kennenlernen und „Sich warm schreiben“ geht.
Schritt 1: Wortwahl
Man Wählt ein Wort (zum Beispiel den eigenen Namen) aus, notiert dessen Buchstaben untereinander und assoziiert zu jedem Buchstaben ein oder mehrere Wörter, die mit dem selben Buchstaben beginnen. Groß- und Kleinschreibung kann man ignorieren. Mein Wort : Demokratie.
2. Schritt: Freie Assoziationen
Der
Einzelne
macht
ordentlich
Krach,
richtet
Anfragen (an die Abgeordneten),
treibt
intensiv
Ergebnisforschung
(Wenn man mehrere Wörter findet, wird das Spiel reizvoller, aber auch komplizierter).
3. Schritt: Text aus den Wörtern
Nun fügt man diese neuen Wörter zu einem sinnvollen Ganzen zusammen. Man darf ruhig die Reihenfolge ändern und auch neue (Füll-) Wörter hinzufügen. Aber man sollte schon minimalistisch arbeiten – also möglichst wenig zusätzliche Informationen beifügen. Auf diese Weise entsteht ein Text, der vermutlich noch etwas korrigiert und redigiert werden muss, damit das Ganze auch einen Sinn ergibt, zum Beispiel eine kleine Kurzgeschichte wird.
Im Folgenden steuere ich ein eigenes Beispiel bei, das von dem Wort ROTER FADEN ausgeht. Dieses Stichwort bot sich an, weil ich die Übung im Rahmen eines Schreib-Wochenendes vorstellte, das den Titel „Den Roten Faden finden“ trug und zum Jahreswechsel 2012/13von mir durchgeführt wurde.
(Vorbemerkung)
Ich wurde, als dieser Text entstand, schon seit Monaten von etwas geplagt, was die – wahrscheinlich intensiv Golf spielenden – Orthopäden als Golfer-Ellbogen bezeichnen: eine schmerzhafte Entzündung am – in meinem Fall – rechten Ellbogen. Deshalb hatte ich Mühe mit dem Tippen. Zum Glück war mir die Diktier-Software Dragon NaturallySpeaking eine große Hilfe beim Schreiben dieser Zeilen. Der Text musste zwar noch nachkorrigiert werden, aber das war längst nicht so anstrengend wie die Tipperei des gesamten Textes. So kam jedenfalls der „Drache“ ins Akro-Spiel.) –
Das Thema Rettung ist vergleichsweise neu in meinem Schreiben und ich bin heutzutage viel optimistischer als in älteren Science-Fiction-Geschichten von mir. Die allerersten waren extrem pessimistisch und endeten einige Male mit der totalen Vernichtung einer Planeten-Welt – wie in Nur ein kleiner Fehler (hier im Blog) , ja einmal sogar mit der Zerstörung des gesamten Universums. Als Jugendlicher macht man sich halt so seine Gedanken, wenn man mitbekommt, wie um einen herum die Welt immer wieder in totales Kriegs-Chaos versinkt.
Im Grunde geht es um Religion: Wie könnte eine Religion für das dritte Jahrtausend aussehen (oder für das 40. Jahrtausend). Aber das ist ein anderes Thema.
Akronym aus Roter Faden
Dies sind die Wörter, die mir zu dem Akronym „roter Faden“ eingefallen sind:
Rosen
ocker
Tee
Elefant
Rettung
Fabrik
Abend
Drache
elegant
Neufundland
Aus diesen zehn Begriffen des Akronyms habe ich folgende Geschichte entwickelt:
Der Drache und der elegante Mann
Rosen, die nicht rot waren, sondern ockerfarben, dazu ein Päckchen indischen Tees (Original Darjeeling und garantiert frei von Pestiziden) – das war die Rettung!
In der aufgelassenen Fabrik trafen sie sich am Abend, der Drache und der elegant gekleidete Mann aus Neufundland.
„Ich habe dir etwas Schönes mitgebracht“, sagte der Mann, und überreichte dem Drachen den Tee und die Rosen.
„Oh, wie originell: ocker!“ erwiderte der Drache.
(Da dies kein Märchen sein soll und auch keine Fantasy-Geschichte, sondern knallharte, also naturwissenschaftlich plausible Science-Fiction, war dieser Drache eigentlich gar keiner, sondern ein sehr mächtiger Alien, Angehöriger einer fernen galaktischen Zivilisation, den es unverhofft auf die Erde verschlagen hatte bei einer Havarie seines Raumschiffes, und der nun das Beste aus seiner misslichen Lage machen musste. Er gab sich als Drache aus (obgleich er völlig anders aussah, das war eben so, jedenfalls glich er nicht einem der Drachen aus den Kinderbüchern und den Hollywood-Blockbustern, sah also nicht aus wie ein Saurier, viel mehr ähnelte er dem, was die Chinesen unter einem Drachen verstehen, also ein Energiewesen und machtvoller Glücksbringer.)
Dem Alien war es natürlich ein leichtes, nach Drachenart Feuer zu speien und mit der entstehenden Hitze das Wasser für den Tee anzuheizen (er hatte das lange geübt und es wäre ein Leichtes, naturwissenschaftlich logisch stringent zu erklären, wie er das machte). Der elegante Mann, seines Zeichens Präsident der als Antwort auf das Erscheinen des Aliens rasch gegründeten Vereinigten Staaten des Planeten Erde, dieser elegante Mann mittleren Alters also warf, wie bei einer religiösen Zeremonie auf der Heimatswelt des Aliens üblich, feierlich drei Blätter der ockerfarbenen Rose in das Gebräu. Gemeinsam tranken die beiden dann in der stillgelegten Waffenfabrik Schluck für Schluck den Tee. Die gentechnisch veränderten Rosenblätter enthielten ein enorm starkes Halluzinogen, mit dessen Hilfe der Präsident und der Alien in der Lage versetzt wurden, die Gedanken und Gefühle ihres Gegenübers zu lesen, sie sogar einigermaßen korrekt zu verstehen – und zugleich aus der Tiefe des eigenen Wesens Assoziationen und Bilder auftauchen zu lassen, welche ein gedankliches Miteinander der beiden Zivilisationen in Zukunft möglich machen würde.
(Hinterher verklagten natürlich einige Eiferer den Präsidenten wegen Gebrauchs illegaler Drogen – aber der Weltgerichtshof schlug diese Anklage, die sich ein übereifriger Staatsanwalt zu eigen gemacht hatte, sinnvollerweise nieder.)
Erst in dieser Phase der Verhandlungen, als die ersten Verträge längst verbindlich unterschrieben waren, gestand der Drache, dass alles auch ganz anders hätte ausgehen können als in jener – inzwischen zu einem historischen Denkmal ernannten – alten Waffenfabrik. Dass er persönlich aber froh und zufrieden sei, weil nun dieser spezielle rote Faden* die Geschicke der beiden kosmischen Völker bestimmen würde. Und dass nicht, was auch möglich gewesen wäre, ein Krieg losgebrochen sei. Ein Krieg, der fraglos nicht zu Gunsten der Menschheit ausgegangen wäre.
* Für ExoLinguisten**: Der Alien-Drache verwendete nicht direkt den Begriff „roter Faden“, der ja einem uralten Mythologem des Planeten Erde entstammt. In seiner eigenen Sprache (was wiederum eine Übersetzung aus der Hauptsprache der Welt O°Thar ist), lautete das Äquivalent „nua ken-ten ocha gro tekn hung-kubng“ – was wörtlich übersetzt soviel heißt wie „Schmaler [nua] Grat [ocha], auf dem man balanciert [ken-ten] zwischen [gro] zwei [tekn] Abgründen [hung-kubng]“.
** ExoLinguisten sind Experten für Sprachwissenschaft, die sich speziell mit den Kommunikationssystemen fremder Planeten beziehungsweise von deren Bewohnern befassen.
ENDE der Legende
Viel Spaß beim eigenen Ausprobieren dieser Methode!
142 _ aut #813 aus LdS #735 und thes #4018 _ 2021-03-24/19:06 Mit
(Begonnen in der Virtuellen Schreib-Werkstatt #323 vom 19. Jan 2013
v02-2 vom 05. Juli 2013/21:02)
Mit Worten spielend habe ich schon so manche „schöpferische“ Pause eingelegt. Das mit den Akronymen ist eine gute Idee, brachte mich aber darauf, dass es Spaß machen könnte, streng nach dem Vorbild „Akronym“ Worte zu suchen oder neu auszudenken. Im Moment ist Pause bei mir allerdings kein Thema, und die Akronyme müssen warten.
Hier so eine Spielerei aus längst vergangenen Tagen:
ling
Liebling oder Darling
Keimling und Steckling
Engerling wird Schmetterling
Säugling, Täufling, Sprössling, Jüngling
Schützling, Zögling, Lehrling
Sonderling wird niemals Häuptling
verraten für einen Silberling
Stichling und Bückling
einer Feigling, einer Rohling
Lüstling oder Wüstling
Neuling bleibt Fremdling
Eindringling wird Sträfling
Schreiberling schreibt Frühling
und am Wegesrand ein Findling
Anmerkung „entre nous“: Ich habe den Film inzwischen gesehen, wie ich mir einbilde, auch verstanden. Letzteres ließ sich kaum vermeiden, denn für meinen Geschmack lässt Woody Allen eine wenig Subtilität vermissen.
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