Begegnung mit Urgroßvater Ferdinand Naumann

Ich habe diesen Mann nie persönlich kennengelernt, weiß von ihm nur aus gelegentlichen Bemerkungen meines Vaters (der ihn sehr schätzte) und indirekt durch seine Tagebücher – die ich allerdings erst sehr spät kennen und schätzen gelernt habe. So wie mir seine Person und die seiner Nachkommen durch die Beschäftigung mit ihnen nach anfänglichen großen Widerständen immer vertrauter und bemerkenswerter wurden.

Ferdinand Naumann ((27. Januar 1849 bis 20. Juli 1916) war Gastwirt auf dem Inselsberg (Archiv JvS)

Meine Mutter intrigierte gegen die Lesungen aus Urgroßvaters Tagebüchern

Die Sonntagvormittage hatten in unserer Familie eine spezielle Bedeutung, die mir sehr zuwider war: Mein Vater pflegte dann im elterlichen Schlafzimmer (!) ein richtiges Ritual, aus einem der Tagebücher seines Großvaters Ferdinand Naumann vorzulesen. Ich war immer froh, wenn das bald vorbei war. Dieser alte Kram aus dem 19. Jahrhundert (1886!) interessierte mich die Bohne – was mich brennend beschäftigte, waren die utopischen Geschichten aus der Zukunft.
Es hat viele Jahre gedauert, bis ich entdeckte, was für ein kostbarer Schatz diese Tagebücher sind. Einen Brief meiner Urgroßmutter Anna Naumann habe ich hier im Blog bereits veröffentlicht. Hier nun ein Kapitel ihres Mannes aus seinen Annalen, die sich streckenweise wie Szenen aus einem Abenteuerroman lesen. An anderer Stelle habe ich bereits den Bericht über seine Bildungsreise anno 1908 publiziert (der ZEIT war diese eine eigene Dokumentation wert, wofür Vaters Bruder Julius vom Scheidt gesorgt hat).

Unter meinen Vorfahren mütterlicherseits waren Viehhändler (in Rehau eine höchst angesehene Berufsgruppe), die ihr Vermögen unter anderem mit dem „Paschen“ von Schweinen über die böhmische Grenze verdienten (also mit kriminellem Schmuggel) – und die Rehauer Viehhändler waren ohnehin verrufen (wie ich vor vielen Jahren mal einem ausführlichen Bericht in der Frankfurter Allgemeinen entnehmen konnte – wenn ich den im Archiv finde, ist das einen eigenen Beitrag wert).

Diese Vorfahren in Rehau waren meiner Mutter also nicht suspekt. Dass mein Urgroßvater Ferdinand Naumann nicht nur „Gastwirt“ war (und noch dazu einer mit permanenten Geldnöten), sondern zudem noch ein begabter Schreiber, entging ihr total oder zählte nicht. Diese „Künstler“ (wie der dilettierende Zeichner und Dichter Albert Naumann, einer der Söhne des Ferdinand N. mit wirklich läppischen Produkten) waren ihr höchst suspekt. Was waren die schon gegen die Rehauer Architekten und Baumeister und – naja: Viehhändler, aber eben sehr erfolgreich.

Wer mehr über diesen Ferdinand Naumann erfahren will und über seine Zeit, kann dies am besten in einem weiteren Text aus seinem Tagebuch Ende 1886: Gefährliche Kutschfahrt im Winter.

Quellen
Münzer-Glas, Beatrix: GründerFamilien – FamilienGründungen [Porzellan-Industrie]. Hohenberg/Eger 2002 (Deutsches Porzellan-Museum.
Naumann, Ferdinand: Tagebücher (handschriftlich). Inselsberg b. Jena / Erfurt 1968-1916(?). Es sind nur drei von ursprünglich fünf Bänden erhalten – im Privatbesitz.

aut #576 _ 2021-03-13/19:20

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