Atlantis allüberall

Das erste Mal bin ich diesem Mythos 1948 oder 1949 begegnet, als ich mit großen Augen und vor Abenteuerlust glühenden Wangen die Heftserie Sun Koh – der Erbe von Atlantis las. Damals hätte ich mir nicht träumen lassen, dass ich Jahrzehnte später für den Bayrischen Rundfunk ein „Feature mit Musik“ zu diesem sagenhaften „versunkenen Kontinent“ schreiben würde – der mit großer Wahrscheinlichkeit niemals existiert hat, sondern der blühenden Phantasie des griechischen Philosophen Platon entsprungen ist.

Abb. 1: Abschließender Sammelband zur Heftserie Sun Koh (Replik des Originalcovers von 1935)

Doch halt, ich muss mich korrigieren: Ich habe schon lange vorher mal Atlantis und seinen schrecklichen Untergang „besungen“, und zwar in dem SF-Roman Männer gegeg Raum und Zeit, den ich 1957 schrieb und im Jahr darauf veröffentlichte – mein erstes Buch. Dort ist eine Schlüsselszene das Untergangs-Szenario, das viele Jahre zuvor mein Freund Alfred Hertrich gestaltet hat als neues Cover für ein Sachbuch in meiner Bibliothek aus dem Jahr 1940 (deutsch 1946): Atlantis von Alexander Braghine.

Abb. 2: Buchumschlag von Alfred Hertrich (1954) – nach einem Gemälde von Willy Bischoff in seinem Buch Wir und das Weltall

Und was lese ich heute in der Süddeutschen Zeitung vom Tage?
Es soll ein neuer, heller Stern am Himmel der Automobilhersteller sein. Kein Wunder, dass die neue Holding Stellantis heißen soll, abgeleitet vom lateinischen Wort „Stella“ für Stern. Der französische Konzern Peugeot, zu dem inzwischen auch Opel gehört, und Fiat-Chrysler haben schon im Herbst 2019 den Plan zur Mega-Milliardenfusion verkündet. Jetzt hat die EU-Kommission zugestimmt, eine der wichtigsten Hürden ist damit genommen. Ende März kommenden Jahres soll dann der viertgrößte Autohersteller der Welt entstehen, nur Volkswagen; Toyota und Renault-Nissan sind dann noch größer.

Was nicht in der Zeitung genannt wird: Der zweite Teil des neuen Konzernnamens Stellantis dürfte klar von Atlantis abgeleitet sein. Der uralte Mythos, den Platon Mitte des 4. Jahrhunderts v.d.ZW. phantasierte, ist offenbar superaktuell. Dieser Aktualität und einer möglichen psychologischen Be-Deutung des Mythos bin ich in meiner Funk-Sendung nicht nur im Text, sondern mit vielen Musik-Zitaten nachgegangen.

Auch → Atlantis und die Labyrinthiade

Quellen
Bischoff, Willy: Wir und das Weltall. Berlin 1952 (Novitas).
Braghine, Alexander: Atlantis. (1940) Stuttgart 1946 (Union Deutsche Verlagsanstalt).
Myler, Lok (alias Freder van Holk – d.i. Alfred Müller-Murnau): Sun Koh, der Erbe von Atlantis. Leipzig 1933-1935 (diverse Nachdrucke ab 1949 als Heftserie, Taschenbuchserie und in Paperback-Sammelbänden).
Scheidt, Jürgen vom: Männer gegen Raum und Zeit (Leihbuchausgabe). Wuppertal-Barmen 1958 (Wieba), Kap. 7.
ders.: „Trauminsel – Inseltraum: Atlantis und das Goldene Zeitalter der Menschheit“. Bayr. Rundfunk (17.Juli 1991: Sondersendung für NACHTSTUDIO – 85 Minuten).

023 _ aut #848 _ 2020-12-23/19:08

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