Paperweight und Mädchen-Rosa…

… als Symbole auf meinem Arbeitstisch? Das bedarf wohl einer Erläuterung. Das Paperweight (dazu gleich mehr) bezeichne ich als glü-Objekt. Dieses steht für mein Roman-Projekt (Code-Name „glü“) und soll mich immer wieder daran erinnern, das Projekt nicht aus den Augen zu verlieren. Gleich daneben, unter dem linken Bildschirm, platziere ich noch ein zweites solches Objekt: Ein Kästchen mit Notizzetteln zum Roman. Sie sind nicht grün (wie die für den Blog), sondern rosa. Solche Zettel im Postkartenformat (bürokratendeutsch: DIN A6) habe ich immer bei mir. Rosafarbene für den Roman – grüne für den Blog; dazu ein paar weiße für „Sonstiges“ (Einkaufzettel, Liste wichtiger Telefonate und E-Mails etc.)

Dies ist so etwas wie die „Leitfarbe“ geworden für alles was mit dem Roman-Projekt zusammenhängt. Der Grund für dieses „glü-rosa“ könnte sein, dass es für den Aufbruch im Sinn der „rosenfingrigen Morgenröte“ steht, von der Homer in der Odyssee immer wieder schwärmt. Das würde zwar gut zu meinem eigenen Werk passen (Homer!) – aber dem ist nicht so. Als ich 2012 nach einer neuen Farbe für Ordner zu meinem Projekt suchte, da war „rosa“ die einzige Farbe, die rein zufällig frei war und die ich noch nie in meinem Leben verwendet hatte. Die Firma Leitz (keine Schleichwerbung) hatte diese und andere kräftige neue Farben gerade erst im Markt eingeführt und so waren sie eben auch beim Kaut Bullinger am Rindermarkt in München (auch keine Schleichwerbung, nur Schauplatz-Benennung und Lokalkolorit) gelandet, wo ich so gerne hingehe, nicht zuletzt, weil dort die Statue vom Sigi Sommer steht, diesem wunderbaren Münchner „G´wachs“.

Rosa – eine typische „Mädchen-Farbe“ (ich habe zwei Teenager-Enkelinnen). Bei einem männlichen Autor?

Aber was soll´s: Nun ist Mädchen-Rosa eben meine Roman-Leitfarbe geworden, rein zufällig und damit zugleich ein schönes Beispiel für Serendipität: Man sucht etwas – und findet etwas ganz anderes, was sich als viel wichtiger erweist.

Rosa. Seltsam (für einen Mann, der nicht schwul ist), könnte man meinen – aber irgendwie auch passend. Denn erleben wir nicht gerade die Transformation der Menschheit von einem strikten Patriarchat zu einem Zeitalter mit mehr Gleichberechtigung für bei Hälften der Spezies (samt den Sonderformen dazwischen)? Und da kann doch auch ein Mann eine Mädchenfarbe – eben!

Wie gesagt (und hier zur Betonung der Bedeutsamkeit des Vorfalls wiederholt): Das war eigentlich ein Zufall – entdeckt bei der bronzene Statue des Sigi „Blasius der Spaziergänger“ Sommer, der so unermüdlich stehend schreitet – der geruhsame Flaneur, der unseren Deutschlehrer in der Abiturklasse so beeindruckt hat, dass wir eine ganze Schulstunde mit dem Sigi und seinem Erkunden der Stadt München verbracht haben und dem Spekulieren darüber, wie so einer wohl zu seinem immer wieder neuen skurrilen Einfällen für die wöchentliche Kolumne in der Abendzeitung kommen mag (“ auf der Liegewiese im Prinze, mit seinen Spez´ln vermutlich.“). Ein wunderbares Symbol für personifizierte Entschleunigung und Kontrast zu den sonstigen „Rasenden Reportern“, die immer in Eile sind, so als hätten sie allesamt ADHS. Hab aber nur ich, oder? Das gebe ich jedenfalls nicht mehr her, mein ADHS.

Aber der Sigi Sommer mit Mädchenrosa? Unvorstellbar bei so einem Mannsbild.

(Zum Sigi Sommer gäb´s noch anderes zu berichten – soll aber an anderer Stelle nachgetragen werden. Zum Beispiel, dass er für die Hauptfigur meines Romans in gewissem Sinn Vorbild ist. Oder dass ich seine Tochter Madeleine während meinem Jahr bei der Zeitschrift Jasmin kennengelernt habe – nur so aus der Ferne.)

MultiChronalia
Schöner Rundumschlag von der Gegenwart 2021 des Bloggings und Romanschreibens zu den Anfängen des glü-Projekts 2012 – und von dort ins Jahr 1968 zur Redaktion von Jasmin, erst in der Schwanthalerstraße (wo ich für die experimentierende Vorbereitungs-Redaktion angestellt wurde, meine erste geregelte Arbeit als angestellter Journalist und Lektor und frisch gebackener Diplompsychologe, für den man im Arbeitsamt keine Stelle als Psychologe finden konnte) – dann in der Neherstraße mit direkten Blick auf die Liegewiese und das Schwimmbecken des Prinzregenten-Freibads (kurz: Prinze – gleich neben dem Prinzregententheater) –
Ja genau: Dieses Prinze, von dem zufällig ein Jahrzehnt zuvor unser Deutschlehrer Dr. Schweigert 1959 vermutet hatte, dass dort dem Sigi seine Inspirationen kommen, während er mit seinen Kumpeln sonnenbadend und Bier trinkend auf der Liegewiese rumflackt – wie staatlich angestellte Pädagogen sich die Arbeit von freiberuflichen Journalisten eben so vorstellen.

aut #747 _ 23. Feb 2021/11:27

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